Der Hausflug
warum nicht.“
„Sag mal, hast du einen Namen? Ich weiß gar nicht, wie ich dich anreden soll.“
„Wie du willst. Das ist mir egal.“
Wie redet man ein Haus an. Einfach mit Haus? Nein, wer sprechen kann, sollte auch einen eigenen Namen haben. Jonas überlegte: Haus, Klaus, Maus, Laus, Saus und Braus – vielleicht Villa? Villa, das konnte auch ein Name sein. Aber das Haus war keine Villa, nur ein Urlaubshaus, eine Fischerkate. Kate-Kathi? Dann schon lieber Villa. Kathi, so rief die unausstehliche Frau Hausmann von nebenan ihre noch unausstehlichere dumme, freche Tochter.
„Ich werde dich Villa nennen“, sagte Jonas.
„Gut, nenne mich Villa.“
Jonas nahm einen Schluck Cola, lehnte sich zurück, verschränkte die Arme über der Brust. Nein, er würde nirgends landen. Erst heute abend, wenn es ganz dunkel ist. Und nicht bei Oma, sondern zu Hause. Niemand soll es sehen. Nur Vater. Und das Haus verstecken wir und tüfteln so lange, bis wir ganz genau wissen, wieso es fliegen kann. Dann erst zeigen wir es. Und werden berühmt. Und reich! Alle Welt wird ein fliegendes Haus haben wollen, und eines Tages können alle Häuser fliegen. Niemand muß mehr umziehen. Wenn jemand lieber woanders wohnen will, fliegt er einfach mit seinem Haus dorthin. Oder in Urlaub. Wir könnten Urlaub machen, wo wir wollen, am Schwarzen Meer oder in Afrika, direkt am Kilimandscharo, oder auf einer Insel in der Südsee.
Jonas stellte sich vor, welch ein Gedrängel es geben würde, wenn die Ferien anfingen. Oder wenn eine ganze Stadt sich plötzlich in die Lüfte erhob. Bestimmt mußten Flugrouten und Flugregeln für Häuser festgelegt werden, Hausverkehrsregeln. Und fliegende Polizisten wird es geben, die aufpassen, daß die Häuser nicht zusammenstoßen…
In der Ferne blitzte etwas auf, ein Lichtpunkt kam schnell näher. Dann erkannte Jonas, daß es ein Flugzeug war, ein mächtiger Düsenclipper, jetzt konnte er schon den Schatten über die Wolken huschen sehen, es kam direkt auf sie zu!
„Paß auf!“ schrie Jonas. „Rechts, ein Flugzeug.“
„Schon gesehen“, antwortete Villa. „Ich fliege eine Ausweichkurve.“
Das Haus neigte sich, ein wenig nur, doch der Schaukelstuhl begann zu rutschen. Jonas klammerte sich mit beiden Händen an das Fensterbrett. Das Flugzeug raste an ihnen vorbei. Ganz dicht, Jonas konnte die Köpfe der Piloten erkennen. Er atmete erleichtert aus.
„Das war aber verdammt knapp“, sagte er. Dann lachte er laut los, er mußte sich den Bauch halten vor Lachen.
„Mann, oh, Mann!“ rief er. „Was müssen die jetzt denken! Die denken doch, sie sind verrückt. Ein Haus über den Wolken! Und sie wären beinahe mit ihm zusammengestoßen. Kein Mensch wird ihnen das glauben. Bestimmt glauben sie selbst nicht, was sie gesehen haben.“
„Sie haben ja gar nichts gesehen“, sagte Villa.
„Wieso? Wir waren doch keine hundert Meter voneinander entfernt.“
„Aber wir sind unsichtbar.“
„Was sind wir?“
„Unsichtbar.“
Das dritte
Durst ist schlimmer als Hunger
Mit dem Haus durch die Stadt
Der verschwundene Rohrstock
„Das kann doch nicht wahr sein!“ rief Jonas.
„Guck mal nach unten. Wir haben nicht einmal einen Schatten.“
Tatsächlich, das Haus warf keinen Schatten. Jonas rannte in die Küche, sah auch dort aus dem Fenster. Das gibt es doch nicht, dachte er, ein unsichtbares Haus, ein Haus ohne Schatten. Und ein fliegendes Haus gibt es auch nicht. Du träumst noch immer, wach endlich auf! Bestimmt lag er in seinem Bett.
Er drückte die Augen zu, so fest, daß er bunte Spiralen und Kreise und flirrende Lichtpünktchen sah, machte die Augen langsam wieder auf, zuerst nur einen winzigen Spalt breit, dann immer weiter. Er schwebte tatsächlich über den Wolken. Ein Loch im Gewölk ließ ihn erkennen, wie hoch: Die Häuser waren kaum noch so groß wie Stecknadelköpfe. Ein winziger Bus fuhr die Landstraße entlang! Sein Bus?
Jonas sah unwillkürlich zur Uhr, dachte zuerst, sie sei stehengeblieben, aber die Zahlen rückten weiter. Er hätte geschworen, daß es schon mehrere Stunden her war, seit er von zu Hause fortgegangen war, doch die Zahlen sagten es eindeutig: Gerade einundfünfzig Minuten waren vergangen. Das macht die Aufregung, dachte er. Wer würde sich bei solch aufregenden Erlebnissen nicht in der Zeit verschätzen? Und Hunger haben. Aber seine Stullen hatte er alle schon verdrückt.
Er riß den Küchenschrank auf. Alles, was er fand, waren zwei Tüten Puddingpulver,
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