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Der Hausflug

Titel: Der Hausflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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weiterfliegen? Geradeaus?“
    „Ja, immer geradeaus“, sagte Jonas. Er war mit seinen Gedanken ganz woanders. Bis zu diesem Augenblick hatte er nicht daran gedacht, was es bedeutete, unsichtbar zu sein. Welch ungeheure Möglichkeiten eröffnete ihm ein fliegendes und dazu unsichtbares Haus!
    Nächsten Sonntag, zum Beispiel, konnte er mit dem Haus direkt über dem Fußballplatz schweben und das Spiel aus nächster Nähe beobachten, statt von dem Stehplatz im obersten Rang, den er sich sonst von seinem Taschengeld leistete, konnte immer bei dem Tor sein, auf das gerade geschossen wurde – und wenn ein hoher Ball kam, konnte er ihn wegfangen, einfach in der Luft verschwinden lassen! In der Zeitung stand es dann auf der ersten Seite: ,Das Rätsel des verschwundenen Fußballs. Unerklärlicher Vorfall im Kicker-Stadion…’
    Villa riß ihn aus seinen Gedanken.
    „Ist das dort die Nicolai-Kirche?“
    Keine Minute später schwebten sie über dem Alten Markt. Wo aber landen? Der Platz war gedrängt voll mit parkenden Autos. Jonas sah nach allen Seiten aus den Fenstern, suchte die Häuser ab; nirgends ein Dach, auf das Villa sich setzen konnte.
    „Tut mir leid, wir müssen weiter“, sagte er. „Im Neubaugebiet am Stadtrand ist auch noch ein Kaufhaus.“

Das vierte

    Ein Unsichtbarer geht einkaufen
Wahrheit ist die beste Lüge
Ein Wunder für den Tankwart
     
    Jonas spürte die Landung nicht, so sanft setzte Villa auf. Nicht auf dem Parkplatz vor dem Kaufhaus, sondern auf einer abgezäunten Wiese am Rand, auf der Baumaterial lagerte. Jonas nahm das Portemonnaie aus dem Rucksack, in der Küche fand er eine große Tasche und ein Netz.
    „Bitte werde nicht ungeduldig, wenn es eine Weile dauert“, sagte er. „Ich komme ganz bestimmt wieder. Soll ich etwas für dich mitbringen?“
    „Nein“, sagte Villa, „ich brauche nichts.“
    Jonas brauchte eine Menge. Auf dem Weg zum Neubauviertel hatte er sich überlegt, was alles er für den Flug nach Afrika benötigte. Vor allem einen Fallschirm und ein kleines Schlauchboot, das sich automatisch aufbläst, sobald es auf das Wasser prallt, wie er es schon ein paarmal in Filmen gesehen hatte, ein leuchtend orangerotes Rettungsboot für Schiffbrüchige, oder sagte man hier „Flugbrüchige“? Auch Kosmonauten hatten ein derartiges Boot in ihrer Rettungsausrüstung.
    Ein Unsichtbarer geht einkaufen.
    Jonas dachte erst daran, als er beinahe auf dem Parkplatz überfahren wurde; im letzten Augenblick konnte er beiseite springen. Im Eingang des Kaufhauses hätte ihn fast eine Frau umgerannt. Sie rempelte ihn mit der Schulter an, riß empört den Mund auf, brachte aber kein Wort heraus, sondern schüttelte den Kopf und ging weiter.
    Von jetzt an paßte Jonas auf, daß er niemandem zu nahe kam.
    Zuerst fuhr er mit der Rolltreppe in die vierte Etage: Werkzeuge und Heimwerkerbedarf, Camping- und Sportartikel. Nirgends ein Fallschirm. Schlauchboote gab es in vielen Ausführungen, doch kein Modell für einen Piloten wie er; im Notfall würde er weder die Zeit noch die Kraft haben, ein Schlauchboot aufzupusten. Jonas wollte schon zum Verkäufer gehen und fragen, da stockte er; der Verkäufer sah glatt durch ihn hindurch. Verdammt! Ein Unsichtbarer kann keine Fragen stellen.
    Wieder hinunter ins Erdgeschoß, in die Lebensmittelabteilung. Er nahm sich einen Einkaufswagen, stutzte, daran hatte er nicht gedacht: Da er unsichtbar war, mußte es so aussehen, als ob der Wagen allein durch die Reihen fuhr und sich mit Waren füllte. Oder wurde der unsichtbar, wenn er ihn berührte? Ja. Niemand beobachtete ihn. Jonas lud den Wagen voll. Cola und Selters – viel Selters, in Afrika würde es heiß sein –, Brot und Kekse, Butter und Wurst, Schinken und Käse, mehrere Tüten Bonbons und Erdnußflips, drei Dosen Würstchen und eine Dose Ananas. Jonas packte noch zwei Dosen Ananas und drei Dosen Pfirsiche ein und sechs Tafeln Schokolade, Nuß-Nougat-Schokolade, seine Lieblingssorte, zwei Hände voll Schokoladenriegel mit den verschiedensten Füllungen, Waffeln und kandierte Nüsse… Wer nicht bezahlen muß, kann großzügig einkaufen. Nur, wie sollte er unbemerkt durch die Kasse kommen?
    Er sah nur einen Weg: wieder dort hinaus, wo er hereingekommen war. Da gab es keine Kasse, nur einen Angestellten, der die leeren Wagen in Reih und Glied stellte.
    Vorsichtig bugsierte Jonas seinen übervollen Wagen gegen den Strom der hereinkommenden Kunden. Er fuhr ganz langsam, damit er ja nicht mit jemandem

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