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Der Heckenritter von Westeros

Der Heckenritter von Westeros

Titel: Der Heckenritter von Westeros Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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die Treppe im Turm hinauf, während die Braut in seinen Armen zappelte. Wie er es schaffte, nicht zu stürzen, war ihm schleierhaft. Das Mädchen wollte nicht stillhalten, und die Männer umringten sie und machten obszöne Scherze darüber, dass sie mit Mehl bestreut und geknetet würde, und gleichzeitig riss man ihr die Kleidung vom Leib. Die Zwerge mischten ebenfalls fröhlich mit. Sie liefen um Dunks Beine herum, schrien und lachten und schlugen mit ihren Blasen gegen seine Waden. Er musste aufpassen, damit er nicht über sie stolperte.
    Dunk hatte keine Ahnung, wo sich Lord Butterquells Schlafgemächer befanden, aber die anderen Männer schoben und zogen ihn, bis sie dort ankamen. Inzwischen hatte die Braut ein rotes Gesicht, kicherte und war nackt bis auf den Strumpf an ihrem linken Bein, der den Weg irgendwie überstanden hatte. Dunk war ebenfalls rot, und zwar nicht vor Anstrengung. Seine Erregung hätte niemand übersehen, der darauf geachtet hätte, aber glücklicherweise hatten alle nur Augen für die Braut. Lady Butterquell hatte keinerlei Ähnlichkeit mit Tanselle, doch da sie praktisch nackt in seinen Armen strampelte, musste Dunk unwillkürlich an sie denken. Tanselle Zu-Groß, so hieß sie, aber sie war nicht zu groß für mich. Er fragte sich, ob er sie jemals wiedersehen würde. In manchen Nächten glaubte er schon, er habe nur von ihr geträumt. Nein, Dummkopf, du hast nur geträumt, dass sie dich mag.
    Lord Butterquells Schlafgemach war groß und verschwenderisch eingerichtet. Myrische Teppiche bedeckten den Boden, hundert Duftkerzen brannten in Nischen und Winkeln, und neben der Tür stand eine Rüstung mit Goldintarsien und Edelsteinen. Er hatte sogar einen eigenen Abtritt in einem kleinen Erker in der Außenwand.
    Als Dunk die Braut schließlich ins Ehebett fallen ließ, sprang ein Zwerg neben ihr auf die Matratze und packte sie an den Brüsten. Das Mädchen kreischte, die Männer lachten, und dann packte Dunk den Zwerg am Kragen und zerrte ihn von Mylady herunter. Er trug den kleinen Mann zur Tür und wollte ihn gerade hinauswerfen, als er das Drachenei entdeckte.
    Lord Butterquell hatte es auf ein schwarzes Samtkissen auf einer Marmorsäule gelegt. Es war viel größer als ein Hühnerei, wenn auch nicht so riesig, wie er es sich vorgestellt hätte. Feine rote Schuppen bedeckten die Oberfläche und funkelten wie Juwelen im Licht von Lampen und Kerzen. Dunk ließ den Zwerg fallen und hob das Ei hoch, um es einen Moment lang zu betasten. Es war schwerer als erwartet. Damit könnte man einem Mann den Schädel einschlagen, ohne dass die Schale auch nur einen Riss bekommen würde. Die Schuppen fühlten sich glatt an, und das tiefe, kräftige Rot schien zu schimmern, als er das Ei in den Händen drehte. Blut und Flamme, dachte er, aber es gab auch goldene Flecken und pechschwarze Wirbel.
    »Ihr da! Was macht Ihr denn da, Ser?« Ein Ritter, den er nicht kannte, starrte ihn an, ein großer Mann mit kohlrabenschwarzem Bart und Furunkeln, aber es war die Stimme, die ihn aufmerken ließ: eine tiefe Stimme voller Wut. Das ist er, der Mann bei Gipfel, erkannte Dunk, als sein Gegenüber sagte: »Legt es wieder hin. Es wäre schön, wenn Ihr die Fettfinger von den Schätzen Seiner Lordschaft lasst, sonst, bei den Sieben, werdet Ihr Euch wünschen, Ihr hättet es getan.«
    Der andere Ritter war nicht annähernd so betrunken wie Dunk, daher erschien es ihm weise zu gehorchen. Er legte das Ei sehr vorsichtig zurück auf das Kissen und wischte sich die Finger am Ärmel ab. »Ich wollte keinen Schaden anrichten, Ser.« Dunk der Dummkopf, blöd wie eine Burgmauer. Dann schob er sich an dem Mann mit dem schwarzen Bart vorbei nach draußen.
    Im Treppenhaus hörte man Lärm, fröhliche Rufe und das Kichern von Mädchen. Die Frauen brachten Lord Butterquell zu seiner Braut. Dunk wollte dem Tumult aus dem Weg gehen, anstatt also nach unten zu steigen, ging er hinauf zum Dach des Turmes, wo er unter den Sternen stand. Die helle Burg leuchtete im Mondschein unter ihm.
    Vom Wein war ihm schwindlig, und er lehnte sich an eine Zinne. Werde ich krank? Warum hatte er das Drachenei in die Hand genommen? Er erinnerte sich an Tanselles Puppenspiel und an den Holzdrachen, mit dem in Aschfurt der ganze Ärger angefangen hatte. Bei der Erinnerung daran fühlte sich Dunk schuldig, wie stets. Drei gute Männer sind gestorben, um einem Heckenritter den Fuß zu retten. Das hatte damals keinen Sinn ergeben und ergab auch heute keinen.

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