Der Heckenritter von Westeros
Dunk der Wind ins Gesicht, als würde ihn ein riesiges Tier ablecken. Die festgestampfte Erde im Hof schien unter seinen Füßen zu schwanken … aber vielleicht schwankte er auch selbst.
Den Turnierplatz hatte man auf dem äußeren Hof angelegt. Unter der Mauer hatte man eine dreistöckige Tribüne aus Holz errichtet, wo sich Lord Butterquell und seine hochgeborenen Gäste im Schatten auf Kissen niederlassen würden. An beiden Enden der Bahnen standen Zelte, in denen die Ritter ihre Rüstung anlegen konnten, daneben Gestelle für die Turnierlanzen. Als der Wind die Banner kurz in Bewegung versetzte, roch Dunk die weiße Farbe der Barriere zwischen den Bahnen. Er machte sich auf die Suche nach dem inneren Hof. Dort wollte er Ei aufstöbern und ihn zum Turniermeister schicken. Es war die Pflicht eines Knappen, seinen Ritter in die Liste eintragen zu lassen.
Weißstein war ihm fremd, und schnell hatte sich Dunk verlaufen. Er landete bei den Zwingern, wo die Hunde ihn rochen und zu bellen und heulen begannen. Die wollen mir die Kehle herausreißen, dachte er, oder vielleicht nur den Kapaun in meinem Mantel. Er ging den Weg zurück, den er gekommen war, an der Septe vorbei. Eine Frau lief atemlos lachend vorbei, ein kahler Ritter eilte ihr hinterher. Der Mann stürzte immer wieder, und die Frau musste zurückkommen und ihm aufhelfen. Ich sollte in die Septe schleichen und zu den Sieben beten, dass dieser Ritter morgen mein erster Gegner wird, dachte Dunk, aber das wäre Götterlästerung gewesen. Was ich wirklich brauche, ist ein Abtritt, kein Gebet. Ganz in der Nähe standen ein paar Büsche hinter einer hellen Steintreppe. Die sollten genügen. Er tastete sich dahinter und schnürte sich die Hose auf. Seine Blase war zum Platzen voll. Er pisste und pisste.
Irgendwo über ihm öffnete sich eine Tür. Dunk hörte Schritte auf der Treppe, das Scharren von Stiefeln. »… Bettlerfest, das Ihr uns da eingebrockt habt. Ohne Bitterstahl …«
»Scheiß auf Bitterstahl«, widersprach eine bekannte Stimme. »Einem Bastard kann man nicht trauen, nicht einmal ihm. Ein paar Siege sollten ihn schnell genug über das Wasser bringen.«
Lord Gipfel. Dunk hielt den Atem an … und die Pisse.
»Es ist leichter, über Siege zu reden, als sie zu erringen.« Dieser Sprecher hatte eine tiefere Stimme als Gipfel, einen Bass, in dem Wut mitschwang. »Der Alte Milchblut wollte, dass der Junge das Schwert bekommt, und das wird der Rest auch. Gewandte Worte und Charme allein wiegen das nicht auf.«
»Aber ein Drache. Der Prinz beharrt darauf, aus dem Ei werde ein Drache schlüpfen. Er hat es geträumt, so wie er einst vom Tod seiner Brüder geträumt hat. Ein lebendiger Drache wird uns all die Schwerter bringen, die wir uns wünschen.«
»Ein Drache ist eine Sache, ein Traum eine ganz andere. Ich versichere Euch, Blutrabe träumt nicht. Wir brauchen einen Krieger, keinen Träumer. Kommt der Junge nach seinem Vater?«
»Erledigt einfach Euren Teil, wie Ihr es versprochen habt, und überlasst diese Sorge mir. Sobald wir Butterquells Gold und die Schwerter des Hauses Frey haben, wird Harrenhal folgen, und dann auch die Brackens. Otho weiß, dass er nicht hoffen kann, allein gegen …«
Die Stimmen verhallten, da die Sprecher weitergegangen waren. Dunk pisste weiter. Er schüttelte seinen Schwanz ab und verschnürte die Hose wieder. »Kommt der Junge nach seinem Vater«, murmelte er vor sich hin. Von wem haben sie gesprochen? Von Feuerballs Sohn?
Als er unter der Treppe hervortrat, waren die beiden Lords schon fast über den Hof. Beinahe hätte er ihnen hinterhergerufen, damit sie sich umdrehten und ihre Gesichter zeigten, aber er überlegte es sich anders. Er war allein, unbewaffnet und halb betrunken. Vielleicht mehr als nur halb. Einen Moment lang stand er mit gerunzelter Stirn da, ehe er zurück in die Halle marschierte.
Dort war der letzte Gang serviert worden, und die Vorführungen hatten begonnen. Eine von Lord Freys Töchtern spielte »Zwei Herzen, die wie eines schlagen« miserabel auf der Hohen Harfe. Einige Gaukler warfen sich brennende Fackeln zu, und Akrobaten schlugen Räder in der Luft. Lord Freys Neffe sang »Der Bär und die Jungfrau hehr«, wobei Ser Kerbel Pimm die ganze Zeit mit einem Holzlöffel den Takt auf dem Tisch schlug. Andere fielen ein, bis die ganze Halle brüllte: »Ein Bär! Ein Bär! Ganz schwarz und braun und voll Fell war er!« Lord Kaswell schlief am Tisch mit dem Gesicht in einer Weinlache ein, und
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