Der Heckenritter von Westeros
Zeichen war. Er lag in einem Keller, stellte er fest, zwischen Wein- und Bierfässern an den Wänden. Immerhin kühl ist es hier, dachte er, und zu trinken gibt es auch genug. Er schmeckte Blut im Mund. Plötzlich durchfuhr ihn ein Schreck. Wenn er sich die Zunge abgebissen hatte, würde er von nun an stumm und dumm sein. »Guten Morgen«, krächzte er, nur um seine Stimme zu hören. Die Worte hallten von der Decke wider. Dunk versuchte aufzustehen, doch das war zu anstrengend, und der Keller begann sich um ihn zu drehen.
»Langsam, langsam«, sagte eine zitternde Stimme ganz in der Nähe. Ein gebeugter alter Mann erschien neben dem Bett. Seine Robe war so grau wie sein langes Haar. Um den Hals hing eine Maesterkette aus vielen Metallen. Sein Gesicht war alt und faltig und hatte tiefe Furchen zu beiden Seiten der riesigen Hakennase. »Immer mit der Ruhe. Lasst mich Euch in die Augen sehen.« Er schob Dunks linkes Auge mit Daumen und Zeigefinger auf und blickte hinein, dann ins rechte.
»Mein Kopf tut weh.«
Der Maester schnaubte. »Seid froh, dass er noch auf Euren Schultern sitzt, Ser. Hier, das hilft ein bisschen. Trinkt.«
Dunk zwang sich, den stinkenden Trank bis zum letzten Tropfen zu leeren, und es gelang ihm, ihn nicht auszuspucken. »Das Turnier?«, fragte er und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. »Erzählt mir, was passiert ist.«
»Das, was immer bei diesen Torheiten passiert. Männer stoßen einander mit Stangen von den Pferden. Der Neffe von Lord Kleinwald hat sich das Handgelenk gebrochen, und Ser Eden Reisigs Bein ist unter seinem Pferd zerquetscht worden. Bislang gibt es wenigstens noch keinen Toten. Euretwegen habe ich mir allerdings Sorgen gemacht.«
»Ich bin vom Pferd gestoßen worden?« Sein Kopf fühlte sich an, als wäre er mit Wolle vollgestopft, sonst hätte er diese dumme Frage wohl kaum gestellt. Dunk bedauerte sie sofort.
»Mit einem Krachen, das die Mauern beben ließ. Wer sein gutes Geld auf Euch gesetzt hatte, war empört, und Euer Knappe war ganz außer sich. Er würde immer noch an Eurer Seite sitzen, wenn ich ihn nicht verscheucht hätte. Kinder kann ich hier nicht brauchen. Ich habe ihn an seine Pflichten erinnert.«
Dunk hätte sich eigentlich selbst erinnern müssen. »Welche Pflichten?«
»Euer Pferd, Ser. Eure Waffen und Eure Rüstung.«
»Ja«, sagte Dunk und erinnerte sich. Der Junge war ein guter Knappe, er wusste, was er zu tun hatte. Ich habe das Schwert des alten Mannes verloren, und dazu die Rüstung, die der Stählerne Pat mir geschmiedet hat.
»Euer fiedelnder Freund hat ebenfalls nach Euch gefragt. Er hat mir gesagt, ich solle Euch die beste Pflege angedeihen lassen. Ich habe auch ihn hinausgeworfen.«
»Wie lange behandelt Ihr mich schon?« Dunk spannte die Finger seiner Schwerthand. Alle taten ihre Arbeit. Nur mein Kopf tut weh, und Ser Arlan hat immer gesagt, den würde ich sowieso nicht brauchen.
»Nach der Sonnenuhr vier Stunden.«
Vier Stunden war nicht so viel. Er hatte einmal von einem Ritter gehört, der so hart getroffen worden war, dass er vierzig Jahre geschlafen hatte und als alter, gebrechlicher Mann aufgewacht war. »Wisst Ihr, ob Ser Uthor seinen zweiten Tjost gewonnen hat?« Vielleicht würde die Schnecke das Turnier gewinnen. Es wäre ein kleiner Trost, wenn Dunk gegen den besten Ritter auf dem Platz verloren hätte.
»Der? Ja, tatsächlich. Gegen Ser Addam Frey, einen Vetter der Braut und eine vielversprechende junge Lanze. Die Lady fiel in Ohnmacht, als er zu Boden ging. Sie musste in ihre Gemächer gebracht werden.«
Dunk zwang sich, aufzustehen und wankte, doch der Maester stützte ihn. »Wo ist meine Kleidung? Ich muss gehen. Ich muss … Ich muss …«
»Wenn Ihr Euch nicht daran erinnert, kann es nicht so dringend sein.« Der Maester winkte gereizt ab. »Ich würde Euch raten, eine Weile schweres Essen, starke Getränke und weitere Stöße zwischen die Augen zu vermeiden … aber ich habe schon vor langer Zeit gelernt, dass Ritter taub für vernünftige Ratschläge sind. Geht, geht. Ich habe genug Narren, um die ich mich kümmern muss.«
Draußen sah Dunk einen Falken, der große Kreise durch den hellblauen Himmel zog. Er beneidete ihn. Im Osten ballten sich Wolken zusammen, düster wie Dunks Stimmung. Während er zurück zum Turnierplatz ging, traf ihn die Sonne mit einer Wucht, wie der Schmiedehammer den Amboss. Die Erde schien unter seinen Füßen zu beben … vielleicht taumelte er aber auch selbst. Auf der
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