Der Heckenritter von Westeros
waren Ritter gewesen, Addam ein junger Knappe. Sie waren vor fünfzehn Jahren auf dem Rotgrasfeld gefallen, am Ende der Schwarzfeuer-Rebellion. »Einen guten Tod sind sie gestorben, sie haben tapfer für den König gekämpft«, hatte Ser Konstans Dunk erzählt, »und ich habe sie nach Hause gebracht und zwischen den Brombeeren begraben.« Auch seine Frau hatte er dort beerdigt. Wann immer der alte Mann ein neues Weinfass anstach, ging er hinunter und brachte jedem seiner Jungen ein Trankopfer dar. »Auf den König!«, rief er dann laut, ehe er trank.
Ser Konstans’ Schlafgemach befand sich im obersten Stockwerk des Turmes, das Solar darunter. Dort, wusste Dunk, würde er ihn finden, während er in seinen Truhen und Fässern kramte. Die dicken grauen Wände des Solars waren mit verrosteten Waffen und erbeuteten Bannern behängt, Trophäen aus Schlachten, die vor vielen Jahrhunderten geschlagen worden waren und an die sich außer Ser Konstans heute niemand mehr erinnerte. Die Hälfte der Banner war verschimmelt, und alle waren ausgeblichen und von einer dicken Staubschicht überzogen, so dass von den einst strahlenden Farben nur Grau und Grün geblieben waren.
Ser Konstans putzte gerade mit einem Lumpen den Schmutz von einem zerschlagenen Schild, als Dunk die Treppe hinaufstieg. Ihm folgte Bennis samt seinem Gestank. Die Augen des alten Ritters schienen beim Anblick von Dunk aufzuleuchten. »Mein guter Riese«, grüßte er, »und der tapfere Ser Bennis. Kommt, schaut Euch das an. Ich habe es auf dem Boden der Truhe gefunden. Ein wahrer Schatz, wenn auch sträflich vernachlässigt.«
Es handelte sich um einen Schild, beziehungsweise das, was noch davon übrig war, und das war nicht viel. Gut die Hälfte war abgehackt, die andere grau und voller Risse. Der eiserne Rand war verrostet und das Holz voller Wurmlöcher. An einigen Stellen hing zwar noch Farbe, doch zu wenig, um ein Wappen zu erkennen.
»M’lord«, sagte Dunk. Die Osgraus waren schon seit Jahrhunderten keine Lords mehr, dennoch ließ sich Ser Konstans gern so anreden, da in diesem Titel die ruhmreiche Vergangenheit seines Hauses widerhallte. »Was ist das?«
»Der Schild des Kleinen Löwen.« Der alte Mann rieb am Rand, und Rost löste sich. »Ser Wilbert Osgrau trug es in der Schlacht, in der er fiel. Sicherlich kennt Ihr die Geschichte.«
»Nein, M’lord«, sagte Bennis. »Zufällig kennen wir sie nicht. Der Kleine Löwe, sagtet Ihr? War er ein Zwerg oder so was?«
»Ganz gewiss nicht.« Der Schnurrbart des alten Ritters zitterte. »Ser Wilbert war ein hochgewachsener und starker Mann, und dazu ein großer Ritter. Den Namen bekam er als Kind, da er der jüngste von fünf Brüdern war. In seinen Tagen waren die Sieben Königslande noch Sieben Königreiche, und Rosengarten und Casterlystein führten häufig Krieg gegeneinander. Die Grünen Könige herrschten damals über uns, die Gärtner. Sie stammten vom Blute des alten Garth Grünhand ab, und eine grüne Hand auf weißem Feld schmückte ihr königliches Wappen. Gil der Dritte führte seine Banner nach Osten gegen den Sturmkönig, und Wilberts Brüder gingen allesamt mit ihm, denn in jenen Zeiten flatterte der Gescheckte Löwe stets neben der Grünen Hand, wenn der König der Weite in die Schlacht zog.
Doch während der Abwesenheit von König Gil sah der König vom Stein die Stunde gekommen, sich ein Stück der Weite unter die Krallen zu reißen, also sammelte er ein Heer von Westmännern und fiel über uns her. Die Osgraus waren die Marschälle der Nordmark, daher fiel es dem Kleinen Löwen zu, sich ihnen entgegenzustellen. Der vierte König Lancel führte die Lennisters an, möchte ich meinen, oder vielleicht der Fünfte. Ser Wilbert versperrte König Lancel den Weg und gebot ihm Halt. ›Zieht nicht weiter‹, sagte er. ›Ihr seid hier nicht erwünscht. Ich verbiete Euch, den Fuß in die Weite zu setzen.‹ Doch der Lennister ließ all seine Banner vorrücken.
Sie fochten einen halben Tag lang, der goldene Löwe und der gescheckte. Der Lennister war mit einem Schwert aus valyrischem Stahl bewaffnet, gegen das gewöhnlicher Stahl nichts ausrichten kann, und deshalb wurde der Kleine Löwe hart bedrängt, und sein Schild war bald zertrümmert. Am Ende blutete er aus einem Dutzend schwerer Wunden. Nur mit dem Stumpf seiner gebrochenen Klinge in der Hand stürzte er sich auf seinen Widersacher. König Lancel hackte ihn fast in zwei Hälften, berichten die Sänger, doch im Sterben fand der Kleine
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