Der Heckenritter von Westeros
Löwe unter dem Arm des Königs eine Lücke in der Rüstung und versenkte seinen Dolch darin. Als ihr König starb, kehrten die Westmänner um, und die Weite war gerettet.« Der alte Mann streichelte so sanft über die Überreste des Schilds, als wäre er die Wange eines Kindes.
»Ja, M’lord«, krächzte Bennis, »einen solchen Mann könnten wir heute brauchen. Dunk und ich haben uns Euren Fluss angeschaut, M’lord. Knochentrocken, und das nicht von der Dürre.«
Der alte Mann legte den Schild beiseite. »Erzählt.« Er nahm Platz und forderte sie mit einer Handbewegung auf, sich ebenfalls zu setzen. Während der braune Ritter berichtete, lauschte er aufmerksam, das Kinn erhoben und die Schultern zurückgezogen; er saß so aufrecht wie eine Lanze.
In seiner Jugend musste Ser Konstans Osgrau ein Bild von einem Ritter gewesen sein, groß und breit und stattlich. Zeit und Trauer hatten ihre Spuren hinterlassen, dennoch war er noch immer ungebeugt, ein grobknochiger, breitschultriger Mann mit breiter Brust, und seine Gesichtszüge waren so stark und scharf wie die eines alten Adlers. Sein kurz geschorenes Haar hatte die Farbe von weißer Milch, doch der dicke Schnauzbart, der seinen Mund verdeckte, war aschgrau. Die Brauen zeigten die gleiche Farbe, die Augen dagegen waren hellgrau und voller Kummer.
Und sie schienen noch trauriger zu werden, als Bennis über den Damm sprach. »Seit tausend Jahren und länger kennt man diesen Fluss als das Gescheckte Wasser«, sagte der alte Ritter. »Als Junge habe ich dort geangelt und meine Söhne ebenso. Alysanne badete an heißen Sommertagen wie diesem gern in den seichten Stellen.« Alysanne war seine Tochter gewesen, die im Frühling gestorben war. »Am Ufer des Gescheckten Wassers habe ich zum ersten Mal ein Mädchen geküsst. Sie war meine Base, die jüngste Tochter meines Onkels, eine Osgrau vom Laubsee. Jetzt sind sie alle tot, sogar sie.« Sein Bart zitterte. »Das können wir nicht dulden, Sers. Die Frau bekommt mein Wasser nicht. Sie bekommt mein Geschecktes Wasser nicht.«
»Der Damm ist recht fest gebaut, M’lord«, warnte Ser Bennis. »Zu fest, als dass ich und Ser Dunk ihn innerhalb einer Stunde einreißen könnten, auch nicht, wenn uns der kahle Junge hilft. Wir würden Seile und Hacken und Äxte brauchen und ein Dutzend Männer. Und die nur zur Arbeit, nicht zum Kämpfen.«
Ser Konstans starrte den Schild des Kleinen Löwen an.
Dunk räusperte sich. »M’lord, da ist noch etwas. Als wir bei den Arbeitern waren, nun …«
»Dunk, belästige M’lord nicht mit solchen Bagatellen«, fiel ihm Bennis rasch ins Wort. »Ich habe einem Narren eine Lektion erteilt, das war alles.«
Ser Konstans blickte ihn scharf an. »Was für eine Lektion?«
»Mit dem Schwert. Ein wenig Blut auf der Wange, mehr war es nicht, M’lord.«
Der alte Ritter sah ihn lange an. »Das … das war eine unbesonnene Tat, Ser. Die Frau hat das Herz einer Spinne. Drei ihrer Gatten hat sie ermordet. Und all ihre Brüder starben noch in den Windeln. Fünf waren es. Oder sogar sechs, ich erinnere mich nicht. Sie standen zwischen ihr und der Burg. Jedem Bauern, der ihr Missfallen erregt, würde sie die Haut vom Rücken peitschen lassen, daran hege ich keinen Zweifel, doch wenn Ihr einen verletzt habt … nein, eine solche Beleidigung nimmt sie nicht tatenlos hin. Macht Euch nichts vor. Sie wird kommen und Euch holen, so wie sie sich auch Lem geholt hat.«
»Dag, M’lord«, sagte Ser Bennis. »Ich bitte um Verzeihung, denn Ihr habt ihn gekannt und ich nicht, aber er hieß Dag.«
»Wenn es M’lord gefällt, könnte ich nach Goldhain reiten und Lord Esch von diesem Damm berichten«, sagte Dunk. Esch war der Lehnsherr des alten Ritters. Die Rote Witwe saß ebenfalls auf seinem Land.
»Esch? Nein, dort finden wir keine Hilfe. Eschs Schwester hat Lord Wymans Vetter Wendell geheiratet, er ist also mit der Roten Witwe verwandt. Abgesehen davon mag er mich nicht. Ser Duncan, morgen müsst Ihr in alle meine Dörfer reiten und jeden Mann im kampffähigen Alter einziehen. Ich bin zwar alt, aber die Frau wird schon bald spüren, dass der Gescheckte Löwe immer noch Krallen hat!«
Zwei, dachte Dunk verdrießlich, und eine davon bin ich.
Auf Ser Konstans’ Ländereien gab es drei kleine Dörfer, kaum mehr als eine Handvoll Hütten mit Schafställen und Schweinepferchen. Im größten stand außerdem eine strohgedeckte, einräumige Septe mit einfachen Kohlezeichnungen der Sieben Götter an den Wänden.
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