Der Heckenritter von Westeros
doch der braune Ritter lachte nur. »Natürlich. Schaut ihn Euch nur an. Erscheint er Euch wie einer, der zu den Siegern gehört?«
»Nicht mehr als Ihr. Sonst wärt Ihr ja nicht bei uns.« Dunk wandte sich an Ei. »Kümmere dich um Donner und Maester, und anschließend kommst du zu uns nach oben.«
Als Dunk durch die Falltür hinaufstieg, saß der alte Mann in seinem Schlafgewand am Kamin, obwohl darin kein Feuer brannte. Er hielt den Becher seines Vaters in der Hand, einen schweren Silberpokal, der noch vor der Eroberung für einen Lord Osgrau angefertigt worden war. Ein gescheckter Löwe zierte das Gefäß, eine Einlegearbeit aus Jade und Gold, wobei allerdings einige Jadestücke fehlten. Beim Klang von Dunks Schritten blickte der alte Ritter auf und blinzelte, als wäre er aus einem Traum erwacht. »Ser Duncan. Ihr seid zurück. Hat Euer Anblick Lukas Zollfeld beeindruckt, Ser?«
»Nicht, solange ich zugegen war, M’lord. Ich habe ihn eher erzürnt.« Dunk berichtete die Ereignisse, so gut er konnte, überging jedoch den Teil mit Lady Helicent, weil er dabei aussah wie ein kompletter Narr. Auch die Ohrfeige hätte er gern ausgelassen, doch die aufgeplatzte Lippe war zu doppelter Größe angeschwollen, und Ser Konstans musste sie natürlich bemerken.
»Eure Lippe …«
Dunk berührte sie vorsichtig. »Die Lady hat mir eine Ohrfeige versetzt.«
»Sie hat Euch geschlagen?« Ser Konstans öffnete den Mund und schloss ihn wieder. »Sie hat meinen Gesandten geschlagen, der im Zeichen des Gescheckten Löwen zu ihr gekommen ist? Sie hat es gewagt, Hand an Eure Person zu legen?«
»Nur eine Hand, Ser. Es hat schon zu bluten aufgehört, ehe wir die Burg verlassen haben.« Er ballte die Hand zur Faust. »Sie will Ser Bennis, nicht Euer Silber, und den Damm will sie auch nicht einreißen. Außerdem hat sie mir ein Pergament mit Unterschrift und Siegel des Königs gezeigt. Demzufolge gehört der Fluss ihr. Und …« Er zögerte. »Sie sagte, Ihr wärt ein … Ihr hättet Euch …«
»… mit dem Schwarzen Drachen erhoben?« Ser Konstans schien in sich zusammenzusinken. »Das habe ich befürchtet. Wenn Ihr meine Dienste verlassen wollt, so habt Ihr meine Erlaubnis, ich werde Euch nicht aufhalten.« Der alte Ritter starrte in seinen Becher, obwohl Dunk nicht klar war, was er dort zu finden hoffte.
»Ihr habt mir erzählt, Eure Söhne seien im Kampf für den König gefallen.«
»Das sind sie auch. Für den rechtmäßigen König, Daemon Schwarzfeuer. Den König, Der Das Schwert Trug.« Der Schnurrbart des alten Mannes zitterte. »Die Männer des Roten Drachen nennen sich die Königstreuen, aber wir, die wir den Schwarzen wählten, waren einst nicht weniger treu. Wenngleich heute … Alle Männer, die an meiner Seite marschierten, um Prinz Daemon auf den Eisernen Thron zu setzen, sind verschwunden wie der Morgentau am Mittag. Vielleicht habe ich sie nur geträumt. Oder Lord Blutrabe und seine Rabenzähne haben sie in Angst versetzt. Sie können nicht alle tot sein.«
Dunk konnte die Wahrheit dieses Satzes nicht leugnen. Bis zu diesem Augenblick hatte er noch niemanden kennengelernt, der für den Prätendenten gekämpft hatte. Und doch müsste ich eigentlich. Es waren Tausende. Das halbe Reich focht für den Roten Drachen, und die andere Hälfte für den Schwarzen. »Beide Seiten haben tapfer gekämpft, sagte Ser Arlan stets.« Er glaubte, das würde der alte Ritter gern hören wollen.
Ser Konstans umklammerte den Weinbecher mit beiden Händen. »Wenn Daemon über Gwayn Corbray hinweggeritten wäre … wenn Feuerball nicht am Vorabend der Schlacht erschlagen worden wäre … wenn Hohenturm und Tarbeck und Eichenherz und Butterquell uns mit ganzer Macht unterstützt hätten, anstatt zu versuchen, einen Fuß in jedem Lager zu halten … wenn Manfred Widersten sich als treu und nicht als verräterisch erwiesen hätte … wenn Stürme nicht Lord Brackens Überfahrt mit den myrischen Armbrustschützen verzögert hätten … wenn Flinkfinger nicht mit den gestohlenen Dracheneiern erwischt worden wäre … so viele Wenn s, Ser … wenn sich nur ein Ereignis anders entwickelt hätte, wäre vielleicht alles anders ausgegangen. Dann würden wir Königstreue genannt, und an die Roten Drachen würde man sich als die Männer erinnern, die den Usurpator Daeron den Falschgeborenen auf seinem gestohlenen Thron halten wollten, und dabei scheiterten.«
»So könnte es sein, M’lord«, sagte Dunk, »aber die Dinge sind nun einmal nicht
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