Der Heiler
Schaufel auf der gegenüberliegenden Seite, und Transporter der Wasserwerke waren von der Fredrikinkatu her in einer Schlange vor die Grube gefahren, so als warteten sie auf Einlass. Der Autoverkehr wurde halb über den Bürgersteig umgeleitet.
Ich blieb an der StraÃenecke stehen, zog den Schal enger um den Hals und den ReiÃverschluss der Jacke bis ganz nach oben, rückte die Mütze zurecht und schob die Säume der Handschuhe unter die Jackenärmel. Einer der Männer von den Wasserwerken kam mir entgegen. Er wirkte in seinem Winteroverall und mit seinem roten Gesicht wie ein riesiger Grundschüler. Ich fragte ihn, was passiert war. »Wie man sieht«, sagte er, »ein Erdrutsch.« Mehr erfuhr ich nicht, und eigentlich deutete auch nichts darauf hin, dass es nötig gewesen wäre.
Ich umrundete die Kreuzung und blickte abwechselnd nach Töölö zur Felsenkirche, dann zur Malminkatu, der Fredrikinkatu und wieder zur Felsenkirche. Zwischen durch schielte ich immer mal wieder zur Grube. Da keine der Richtungen mir etwas sagte, auch das Erdloch nicht, und da der Wind immer ruppiger wehte, gab ich auf und ging nach Töölö zu Ahti und Elina.
War dies der Zeitpunkt, mir einzugestehen, dass ich ÂJohanna doch nicht so gut kannte, wie ich dachte?
Ich versuchte, so neutral wie möglich das Geschehene zu rekapitulieren, versuchte die Wahrheit aus der Einbildung herauszufiltern, zu trennen zwischen schlimmster Befürchtung und dem Verdrängen von Tatsachen. Leicht war es nicht, da es um die Frau ging, die ich liebte. Wie sehr ich mich auch anstrengte, mir fiel beim besten Willen nicht ein, wann Johanna je auch nur mit einem Wort Tarkiainen erwähnt oder irgendetwas von Kivinokka angedeutet hätte. Ich hatte auch keine Idee, warum wir darÂüber hätten reden sollen. Es hatte keinen Grund gegeben. Wer hätte ahnen können, dass sich Tarkiainens und Johannas Wege noch einmal kreuzen würden?
Ich überquerte die Brücke, die die Südliche und Nördliche BahnhofstraÃe miteinander verband, und blickte hinunter. Die seinerzeit in einer Schlange hintereinÂander geparkten Wohnmobile bildeten jetzt eine Kette von Kleinsthäusern. Innerhalb weniger Jahre war in dem schmalen Streifen ein eigener Stadtteil gewachsen. In den von unten aufsteigenden Gerüchen, dem Dunst und Qualm konnte ich gegrilltes Fleisch, Benzin und Ânatürlich Selbstgebrannten, Pontikka, ausmachen. Kinder schrien, entweder beim Spielen oder aus anderen Gründen.
Ich sah auf die Uhr, fast zehn. Die Minuten und Stunden vergingen immer schneller. Ich nahm mein Handy und rief Johanna an, mit dem bekannten Ergebnis. Wie oft würde ich noch anrufen, wie oft noch die tonlose Frauenstimme hören, die mir immer wieder das sagte, was ich nur allzu gut wusste? Vielleicht mussten aber auch die Dinge wiederholt werden, bis das Wiederholen zu einer Lösung geführt hatte oder überflüssig geworden war.
Eine aus Richtung Innenstadt heranratternde volle StraÃenbahn fuhr nur wenige Meter an mir vorbei. Die Fahrgäste quetschten sich mit ihren Mänteln an die Glasscheiben. Unzählige Menschen gingen nach wie vor zur Arbeit, lebten ihren Alltag, ihr Leben. Die Bahn hielt an einer Haltestelle, und ich ging vorbei, mit dem kalten Wind und den Gerüchen von verbranntem Fleisch und wütendem Ethanol im Rücken.
Ich kam zu Ahtis und Elinas Eingang, drückte die Klingel und wartete einen Moment. Die Kamera bewegte sich wie die Fühler eines Insekts, als sie ihre kleine Runde unter der Kuppel drehte. Sowie sie sich vergewissert hatte, dass ich kein Feind war, hielt sie an. Das Türschloss öffnete sich, und ich konnte eintreten. Der Fahrstuhl war zwar unten, aber ich nahm die Treppe. In dem stillen Haus und auf den Steinstufen hallten meine Schritte laut wie Trommelschläge.
Der Geruch eines Kranken schlug mir gleich an der Tür entgegen. Elinas Gesicht wirkte unter der Lampe im Flur klein und bleich. Sie nickte zur BegrüÃung, drehte sich um und ging ins Wohnzimmer. Ich zog die Tür hinter mir zu, legte meine Sachen ab und nahm Kurs aufs Wohnzimmer. An der Schlafzimmertür machte ich halt, hörte Ahti schnarchen und sah das FuÃende des Bettes, seine FüÃe unter der Decke. Ich wollte eintreten, besann mich aber und ging weiter.
Elina saà mit untergeschlagenen Beinen auf dem Sofa, ihre langen Haare hingen als Zopf über die
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