Der Heiler
schwer, darüber zu sprechen?«
Elina nickte in Richtung des Schlafzimmers. »Ahti würde es vielleicht nicht verstehen«, sagte sie, und dann, leiser und fast beiläufig: »aus verschiedensten Gründen.«
Ich sah sie eine Weile an. »Habt ihr nie darüber geredet?«, fragte ich.
Sie wirkte zunächst verwundert und auch beleidigt, schlieÃlich nur verwundert. »Warum hätten wir sollen? Ihr habt es ja auch nicht getan.«
Die Wahrheit schmerzte, sofort. »Nein, wir auch nicht«, gab ich zu und ergänzte leise: »Irgendwie schien es keinen Grund zu geben.«
»Solange du geglaubt hast, alles zu wissen, was du wissen musstest, warst du zufrieden«, sagte Elina. »Jetzt weiÃt du, dass du nicht alles weiÃt, und es macht dir zu schaffen. Man sollte sich fragen, wie viel man letzten Endes wissen will, auch von seiner eigenen Frau.«
Ich musterte sie und entdeckte etwas an ihr, das ich früher nicht bemerkt hatte. Zu der Kühle in ihrem Gesicht hatte sich eine Spur von Härte, sogar Bitterkeit gesellt.
»Erzähl mehr von Pasi Tarkiainen«, bat ich.
»Warum?«
Ich sah sie ernst an. »Du hast noch nicht alles erzählt.«
Sie schnaubte genervt und verdrehte die Augen. Aber sie war eine schlechte Schauspielerin und wusste es auch. »Du findest Johanna nicht dadurch, dass du in Geschichten herumwühlst, die hundert Jahre alt sind.«
»Du hast nicht alles erzählt«, wiederholte ich. »Ahti schläft, du kannst reden.«
Sie blickte wieder in Richtung Schlafzimmer. Eine Weile lauschten wir still, ich hörte deutlich Ahtis Schnarchen.
»Es ist wichtig, Elina«, sagte ich. »Johanna ist seit anderthalb Tagen verschwunden. Eine andere Möglichkeit, als dass ich sie gesund und lebendig wiederfinde, will ich mir gar nicht ausmalen. Ich brauche alle erdenkliche Hilfe. Es fällt mir wirklich nicht leicht, darum zu bitten, aber ich bin dazu gezwungen. Ich muss Johanna unbedingt finden.«
Sie zog die Beine noch enger an sich, strich sich mit ein paar raschen Handbewegungen die Haare aus dem Gesicht, starrte eine Weile vor sich hin und schien einen Entschluss zu fassen. Dann sah sie mich wieder an, ein bisschen von unten her, und sagte, als würde sie resignieren: »Ich habe für Pasi Tarkiainen geschwärmt.« Sie hielt den Blick weiter auf mich gerichtet und wartete vielleicht auf irgendeine Reaktion. Dann fuhr sie fort: »Ich verstehe das heute selbst nicht mehr, aber ich habe für ihn geschwärmt. Und ich hätte mir natürlich gewünscht, dass er es erwidert hätte. Aber er wollte mit ÂJohanna leben. Jetzt, nach all den Jahren, kann ich zugeben, dass ich in Pasi verliebt war und fast vor Eifersucht gestorben bin, weil die beiden so glücklich schienen.«
Ich war nicht überrascht, fragte nur: »Hast du es Johanna gesagt?«
»Nein«, Elina schüttelte rasch den Kopf. »Nicht mal Pasi. Ich wollte nur, dass er mich wenigstens bemerkte. Und dann, als ich gehört habe, dass sie gar nicht wirklich glücklich waren, war ich zunächst schadenfroh und dann nur noch traurig. Ich habe mich gefragt, was für ein Mensch ich eigentlich bin, der sich darüber freut, wenn der Mann der Freundin anders ist als angenommen und sie gar nicht glücklich ist.«
»Was war denn zwischen den beiden vorgefallen?«
»Ich weià es nicht«, sagte sie, und das klang ehrlich. »Johanna hat nie mehr darüber gesagt, als dass Pasi gar nicht der Mann war, den sie in ihm gesehen hatte. Manchmal habe ich versucht, sie nach einem oder zwei oder drei Glas Wein auszufragen, aber irgendwie ist sie nie damit rausgerückt, obwohl wir sonst über alles mitÂeinÂander geredet haben. Pasi ist daraufhin aus unserem Leben verschwunden, und wir haben ihn vergessen. Dann kam Ahti, und dann kamst du, und alles, was mit Pasi zu tun hatte, ist irgendwie weg.« Elina lachte, vollkommen freudlos. »Ich habe nie mit jemandem darüber geredet, nicht mal mit Johanna. Es kommt mir vor, als wäre das aus einer anderen Welt, die schon lange zurückliegt und in der ich und alle anderen nicht die gleichen Menschen wie heute gewesen sind.«
Ich sagte nichts.
»Johanna ist meine beste Freundin«, sagte Elina. »Die beste, die ich je hatte und je haben werde. Ahti liebe ich, er ist mein Mann, aber Johanna ist meine Freundin.«
Ich sagte immer noch nichts, stützte die
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