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Der Heiler

Der Heiler

Titel: Der Heiler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antti Tuomainen
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Ellenbogen auf die Knie, betrachtete Elina, ihre braunen Augen, in denen noch der Glanz des Zorns lag, und die Schatten auf ihrem Gesicht. Obwohl alle Kühle und Härte aus ihrer Miene gewichen waren, konnte ich immer noch eine gewisse Dunkelheit darin erkennen.
    Â»Und jetzt sind wir hier«, fuhr sie im selben schick­salsergeben Ton fort, in dem sie begonnen hatte. »Ich habe letzte Nacht darüber nachgedacht, warum wir eigentlich in den Norden gehen wollten. Das löst ja nicht unsere Probleme. Keines davon. Wir haben dort oben ja nicht mal das bisschen, das wir hier haben. Ich möchte, dass du Johanna findest, dass wir wieder zusammen sind. Johanna, du und Ahti, ihr seid eine Art Familie für mich. Meine Eltern sind damals vor vier Jahren an der Grippe gestorben, meine große Schwester lebt irgendwo in Amerika und kommt nicht mehr zurück. Ich habe letzte Nacht neben Ahti gelegen und mir gesagt: Komme, was wolle, aber weggehen brauchen und werden wir nicht.«
    Sie hob den Kopf. Über ihr Gesicht zog sich ein schwaches Lächeln, dessen Wärme langsam bis in ihre Augen stieg.
    Â»Wir vier sollten zusammenbleiben und das Leben genießen, solange es uns möglich und vergönnt ist«, sagte sie weich, fügte dann aber leiser und irgendwie angestrengter hinzu: »Und wir sollten das tun, was man in dieser Situation tun kann.«
    Ahti wurde nicht einmal wach, als ich mich im Flur absichtlich laut anzog. Ich hätte gern mit ihm gesprochen, aber Elina war anderer Meinung, und so schnarchte er weiter vor sich hin. Ich bat Elina, mich anzurufen, wenn ihr noch irgendetwas, egal was, zu Pasi Tarkiainen einfiele.
    Ich hatte zuvor noch versucht, ihr seine Fotos zu ­zeigen, hatte ihr erzählt, dass er ein paar Jahre, bevor sie mit Ahti nach Töölö gezogen war, in der Museokatu ­gewohnt hatte, zwei-, dreihundert Meter entfernt. Aber Elina hatte keine Lust gehabt, sich die Fotos ihres einstigen Schwarms anzuschauen oder frühere und jetzige Verbindungen zwischen den Wohnorten zu erörtern.
    Ich bekam von ihr immerhin ein paar Namen. Leute aus dem Studium und auch von später. Einen der Namen kannte ich: Laura Vuola, Doktor der Philosophie. Lauras Name erinnerte mich an Dinge, die ich abgehakt und vergessen zu haben glaubte. Außerdem ließ er mich an meinem Verstand zweifeln: Wie nah war ich dieser Gruppe von Aktivisten einst gewesen, und wie glückselig ahnungslos? Das sagte ich Elina natürlich nicht.
    Ich bedankte mich, umarmte sie bedeutend länger, als ich beabsichtigt hatte, und ließ sie erst los, als ich begriff, was ich tat.

    5 Das klare Wetter vom Morgen war während meines Besuchs umgeschlagen. Jetzt wehte ein böiger Wind aus wechselnden Richtungen, der wolkenverhangene Himmel verdunkelte die Welt und kündigte Regen an.
    Ich wusste, warum ich Elina so lange umarmt hatte. Ich sehnte mich auch physisch sehr nach Johanna, nach ihrer intensiven Wärme, ihrem zarten Eigengeruch von Honig und Wolle, danach, wie sich ihre kleine Gestalt neben mir und in meinem Arm anfühlte, und nach ihrer Hand, die sich in meine legte. Wir waren zärtlich zuein­ander, und das ständig. Deshalb überwältigte mich die Sehnsucht so plötzlich, kam von ganz tief drinnen und schmerzte. Ich blickte in die Wolken, seufzte und drückte alle Gedanken an Johanna auf den Grund meiner Seele, an die Oberfläche ließ ich nur einen einzigen: Ich finde dich.
    Ich ging in Richtung Museokatu, um die Kneipe mit dem aggressiven Barmann erneut zu besuchen. Keine Ahnung, ob offen war. Früher jedenfalls hatte sie ihre Türen bereits morgens geöffnet, so dass die Künstler und die, die sich dafür hielten, ihre Defizite der vergangenen Nacht ausgleichen konnten.
    Ich stieg die Steinstufen von der Temppelikatu in die Oksasenkatu hinunter. Wie oft war ich diesen Weg gegangen, ohne dass die Treppe je ein Anzeichen von Verschleiß gezeigt hätte. Von unten blickte ich zurück auf die klobigen Steine, die mittendrin mit Bolzen befestigte Tür zur Kraftsporthalle und die auf dem Geländer ruhenden moosbedeckten großen Steinkugeln.
    Mein Weg führte mich tiefer in das Viertel. An der Ecke der Runeberginkatu befand sich ein Flohmarkt, manche der vielen verschiedenen Sachen wurden auf dem Bürgersteig angeboten. Ich konnte mir nur schwer vorstellen, dass jemand den Markt besuchte. Was hätte man kaufen sollen?

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