Der Heiler
gewohnt. Zunächst vor langer Zeit für zwei Jahre und dann noch mal für etwa ein Jahr, bis zu seinem vermeintlichen Tod.
Hamid fand rasch das Haus, hielt am StraÃenrand und hörte sich freundlich und geduldig an, wie ich ihm wieder mal erklärte, dass ich ihn jetzt und hier brauchte und er keine anderen Touren übernehmen sollte.
»Verstehe, verstehe«, seufzte er, und ich hörte mit meinen Erklärungen auf.
Darüber musste er lächeln.
Ich lieà Hamids Lächeln im Rückspiegel zurück, stieg aus und ging auf dem schmalen Gehweg zum Hauseingang. Ein weicher, kaum spürbarer Wind bewegte den Nebel, so als wollte er im Zeitraffer Wolken bauen.
Das Haus war in den 30ern gebaut worden und auch aus der Nähe betrachtet in einem guten Zustand. Die Tür mit der Holzmaserung war frisch lackiert. Links daneben hing eine beleuchtete Namenstafel mit Klingelknöpfen. Keiner der Namen sagte mir etwas. Ich drückte aufs Ge ratewohl mehrere Klingeln: Saarinen, Bonsdorff, Niemelä, Kataja.
Bonsdorff reagierte.
Ich zog die Tür auf und blickte zurück zur StraÃe. Der Nebel war so dick, dass ich Hamids Taxi nicht sehen konnte. Laut der Namensliste wohnte Bonsdorff in der vierten Etage. Ich rief den Fahrstuhl, fuhr nach oben und klopfte an der Wohnungstür.
Der Lichtpunkt des Spions verdunkelte sich kurz, dann wurde die Tür geöffnet. Frau Bonsdorff offensichtlich, Alter mindestens achtzig.
»Ich habe Sie schon erwartet«, sagte sie.
Mir fiel keine andere Erwiderung ein als: »Entschuldigen Sie, dass es so lange gedauert hat.«
»Heutige Zeiten«, schnaubte Frau Bonsdorff. »Treten Sie ein.«
Frau Bonsdorff drehte sich um und ging in die Wohnung. Ich wusste nicht, wen sie erwartet hatte, aber da die Tür offen stand und ich zum Eintreten aufgefordert worden war, gehorchte ich.
Die Wohnung war groÃ, fünf Zimmer und eine Küche. Frau Bonsdorff wohnte hier allem Anschein nach allein. Ein Blick in zwei der Zimmer bestätigte den Eindruck: Sie wirkten unbenutzt, die obligatorischen Decken am FuÃende des Bettes und die Zierkissen auf den Sesseln verharrten schon lange in dieser Stellung. Ich folgte Frau Bonsdorff ins Wohnzimmer und wartete, dass sie stehen blieb und mir sagte, wen sie erwartet hatte. Und sich dann anhörte, welches Anliegen ich hatte.
Sie ging über einen rot-schwarzen Orientteppich von der GröÃe eines Squashfeldes, trat an ihren Fernseher und schlug mehrmals mit ihrer kleinen Faust dagegen.
»Da«, sagte sie. »Kein Bild.«
Ich sah den Fernseher und dann Frau Bonsdorff an. Sie war eine kleine Frau mit lockigem Haar, trug sogar zu Hause einen eleganten grauen Blazer und strahlte, trotz ihres Alters und ihrer ganz leicht gebeugten Haltung, Entschlossenheit und Lebenskraft aus.
Ich überlegte kurz.
Welchen Defekt könnte das Ding haben?
Ich überquerte das Squashfeld, überzeugte mich, dass alle Kabel angeschlossen waren, und versuchte, das Gerät einzuschalten.
»Er funktioniert nicht«, belehrte mich Frau Bonsdorff.
Ich sah mir die Kabel erneut an und folgte einem unter eine antike Kommode und dann hinter ein Rokokosofa, wo ich den Stecker fand, der sich aus der Verlängerungsdose gelöst hatte. Ich verband beide und ging wieder zum Gerät zurück. Das Bild kam sofort.
»Das hätte ich ja auch selbst hingekriegt«, sagte Frau Bonsdorff.
Ich schaltete den Fernseher aus und wandte mich ihr zu. »Wollen wir so verbleiben, dass ich kein Geld nehme, wenn Sie mir ein paar Fragen beantworten?«
In ihren Augen blitzte es auf. »Ich hätte es ahnen müssen«, sagte sie. »Welcher Mechaniker kommt in den heutigen Zeiten am selben Tag? Wie wäre es mit Kaffee?«
Wir tranken am Tisch des Wohnzimmers Kaffee aus Porzellantassen. Frau Bonsdorff trug an der linken Hand einen stattlichen goldenen Diamantring, den sie, während sie sprach, berührte und jeweils halb drehte, regelmäÃig und routiniert. Erst ein wenig zur Seite, so dass der Diamant an den kleinen Finger stieÃ, und dann wieder zurück. Das lenkte meine Aufmerksamkeit auf meinen eigenen Ehering, dick und aus WeiÃgold, oben rund und an den Rändern flach. Ich trug ihn seit zehn Jahren, und angesteckt hatte ihn mir die Frau, nach der ich suchte. Diese Suche hatte mich hergeführt.
Der Kaffee war dunkel und hatte einen starken, schokoÂladigen Geschmack. Ich merkte, wie sehr ich
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