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Der Heiler

Der Heiler

Titel: Der Heiler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antti Tuomainen
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bloße Annahme«, Jaatinen nickte. »Offiziell wird jetzt nach Tarkiainen gefahndet. Irgendeine praktische Bedeutung hat das vermutlich nicht, aber man weiß nie. Vielleicht geht er uns ja doch ins Netz. Im Moment sieht es jedenfalls danach aus, als wäre Tarkiainen gar nicht so tot wie angenommen.«
    Jaatinen wischte sich mit dem Baumwolltaschentuch, das er aus der Tasche gezogen hatte, über die Augen. Wir schwiegen wieder, was offenbar schon zur Gewohnheit geworden war. Jaatinen ließ das Tuch in der Tasche seines hellbraunen Mantels verschwinden und richtete sich zu voller Größe auf.
    Â»Ich muss dich jetzt einfach fragen«, sagte ich. »Warum hast du mir das gezeigt? Warum musste ich mir zerschossene Köpfe und Blutlachen unter dem Bett ansehen?«
    Er sah mich an. »Du wolltest ja unbedingt mitmachen«, sagte er und drehte das Gesicht zum Meer.
    Ich musterte ihn und dachte erst, dass er einen bestimmten Punkt fixierte, merkte dann aber, dass er einfach nur zum Horizont schaute. Dann fiel sein Blick irgendwo weit hinten wie ein Stein ins Wasser.
    Â»Und du verfolgst Tarkiainens Spuren. Du solltest wissen, was Sache ist. Du bist ziemlich nah dran.« Jaatinen senkte den Blick weiter. »Aber du musst eben auch bedenken: Wir jagen hier einen Irren, der sich in den Kopf gesetzt hat, dass ein paar einzelne Menschen für den Untergang der Welt verantwortlich sind. Und was passiert, wenn wir ihn fassen? Dann kommt ein anderer Irrer, und die Welt geht weiter unter. Das ist natürlich nicht neu. Aus der Geschichte wissen wir, dass dergleichen schon häufig passiert ist. Zivilisationen erblühen und gehen unter. Das ist bereits Millionen und Abermillionen Menschen auf der Erde widerfahren. Und jetzt geschieht es wieder. Aber irgendwie ist es hart, wenn es die eigene kleine Welt ist, die untergeht. Nicht wahr, Tapani?«
    Â»Stimmt wohl.«
    Draußen auf dem Meer war ein dunkles Schiff zu sehen. Ich beobachtete es eine Weile, bis ich wieder die blutige Bettdecke und den kleinen brünetten Kopf sah, der in zwei Teile gespalten war. Bösartigkeit und Sinn­losigkeit, das war es, was ich sah. Ich musste weg von hier.

    10 Auf der Rückbank des Taxis schlief ich trotz meines Schocks und der Übelkeit ein. Der Schlaf kam schlagartig, wie ein Anfall. In einem Traum flüsterte Johanna etwas in Laura Vuolas Ohr, während mich beide ansahen, entweder ängstlich oder böse. Johanna hielt sich die Hand vors Gesicht, so dass ich ihre Lippenbewegungen nicht sehen konnte, aber aus Lauras Miene und Blick schloss ich, dass sie von mir sprachen. Ehe ich aufwachte, spürte ich wieder einen raschen und vollkommen sinnlosen Stich der Eifersucht. Und ich konnte den Traum auch nicht gleich vergessen, sondern grübelte, als ich bereits wach war, noch eine ganze Weile darüber, was Johanna Laura erzählt hatte.
    Endgültig wach wurde ich, als Hamid heftig auf die Bremse trat und ich in den Sicherheitsgurt geschleudert wurde. Der Gurt rastete ein. Ich spürte den Schmerz in der Seite. Als der Wagen endgültig zum Stehen gekommen war, konnte ich wieder durchatmen und lockerte den Gurt. Wir standen hinter einem Bus, zwischen den Stoßstangen waren nur Millimeter.
    Â»Entschuldigung«, sagte Hamid. »Der hat ganz plötzlich gebremst.«
    Â»Ist schon okay«, sagte ich und sah mich um. Wir befanden uns auf der verstopften Kreuzung kurz vor Munkkiniemi und warteten, dass die einzige Spur zur Weiterfahrt frei wurde.
    Der Regen machte eine Pause, seinen Platz zwischen Himmel und Erde nahm jetzt Nebel ein, der so dick war, dass die Konturen der Autos ringsum verschwanden und von ihrer Existenz nur der rote, gelbe und durchsichtige Schein der Scheinwerfer und Rücklichter kündete. Die ganze Umgebung zerfiel in Stücke und undeutliche Streifen wie in einer Fernsehübertragung mit schlechter Bild qualität: Ein Auto war dort, jetzt hier, dort stand ein Haus, jetzt nicht mehr, und dann blinkte drüben ein Licht auf, gleich darauf bewegte es sich bereits vor uns.
    Ich nahm mal wieder mein Handy und blätterte die gesammelten Informationen über Tarkiainen durch. Bisher war ich zu ungenau gewesen und hatte nicht bemerkt, dass er nicht nur vier, sondern fünf frühere Adressen hatte. Mir war das entgangen, weil es sich in zwei Fällen um dieselbe Adresse handelte: Tarkiainen hatte im Stadtteil Munkkiniemi in ein und derselben Wohnung zwei Mal

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