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Der Heiler

Der Heiler

Titel: Der Heiler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antti Tuomainen
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Tarkiainen fällt und wegen deiner neuen Erkenntnisse.«
    Auf dem Weg zum Tatort hatte ich Jaatinen von meinem Besuch in Tarkiainens ehemaliger Stammkneipe und meinen Theorien erzählt, ebenso von den Gesprächen mit Elina und Laura.
    Â»Und das hier ist natürlich streng vertraulich«, sagte Jaatinen.
    Â»Selbstverständlich«, sagte ich und schluckte.
    Auch wenn ich mich noch so sehr bemühte, ich konnte das, was ich gerade gesehen hatte, nicht aus meinem Gedächtnis verbannen. Die blutverschmierten Haare und Bettlaken, die dunklen Blutspritzer an den Wänden, die kleinen Körper unter der Decke. Woran hatten sie vor dem Einschlafen gedacht? Was sie am Tag zuvor gespielt hatten? An Heiligabend, das Auspacken der Geschenke?
    Â»Wie konnten sie …«, fing ich an und fand keine passende Formulierung. »Wie konnten sie schlafen, wenn dort jemand herumlief und auf sie schoss?«
    Â»Gerade deshalb wird Tarkiainen für uns immer inter­essanter. Er kennt sich in der Medizin aus. Er weiß vermutlich, was nötig ist, damit der Mensch unter solchen Umständen einschläft, und auch, wie man das Mittel verabreichen muss. Aber noch haben wir keine Laborergebnisse vorliegen, und die Gerichtsmediziner sind noch nicht fertig. Und, wie bereits erwähnt, wir leiden unter Personalmangel. Allerdings ist dieser Fall inzwischen so ernst, dass er vor etlichen anderen den Vorrang bekommen dürfte. Dennoch werden Tage, wenn nicht sogar Wochen vergehen, bis wir die Ergebnisse haben.«
    Jaatinen unterbrach sich abrupt. Ich konnte seine Rede nicht zu Ende bringen, sondern nur warten, bis er den Faden wieder gefunden hatte. Ich sah mich um. Vor uns lag ein leerer Bootssteg, der mit einem hohen Stacheldrahtzaun abgesperrt war. Er reckte seine hellbraune Hand ins Meer, wie um jemanden zu sich zu locken. Der Steg würde ab Frühjahrsbeginn von einer Security-Firma bewacht werden, damit dann wieder genügend betuchte Bootsbesitzer anlegen würden.
    Â»Dies ist natürlich bloß eine Annahme«, begann Jaatinen, als wir bereits allzu lange geschwiegen hatten.
    Ich hatte mit einem Mal das dringende Bedürfnis, mich zu übergeben, ich stand unter Schock. Doch der schneidende Wind half, und ich brachte heraus: »Und streng vertraulich.«
    Â»Natürlich«, sagte Jaatinen. »Theoretisch könnte es so gewesen sein: Einer in der Familie braucht einen Arzt. Der Arzt wird übers Internet bestellt. Jemand, der ein Interesse daran hat, leitet die Bestellung um. Pasi Tarkiainen kommt und gibt sich unter falschem Namen als Arzt aus, denn über die Datenbanken ließe sich leicht herausfinden, dass es keinen Arzt Pasi Tarkiainen gibt und der Mann dieses Namens außerdem schon lange tot ist. Allerdings muss man bedenken, dass die Leute kaum etwas nachprüfen, nicht mal, wenn es um ihre eigene Gesundheit oder Sicherheit geht. In dieser Hinsicht hat sich nichts geändert.«
    Jaatinen holte tief Luft und sammelte seine Gedanken. Jedenfalls wirkte es so, als er sich mit Daumen und Zeigefinger die Nase rieb. Ich sah wieder die blutigen Laken, die geronnene Blutlache unter dem Kinderbett, das blutige Haarbüschel auf dem weißen Nachtschrank.
    Â»Tarkiainen spielt den Arzt, untersucht den Patienten, so wie es sich gehört, verschreibt ein Medikament und sagt dann, dass es gut wäre, wenn sich gleich alle Fami­lienmitglieder gegen Malaria impfen ließen. Wer würde nein sagen, wenn ein Arzt so etwas vorschlägt. Und Tarkiainen impft, aber nicht so wie versprochen. Er spritzt ihnen etwa ein Schlafmittel, dessen Wirkung erst nach Stunden eintritt. So hat dann derjenige, der die schmutzige Arbeit macht, freie Bahn. Er bekommt von Tarkiainen den Türcode und vielleicht auch einen gestohlenen Schlüssel, gelangt in die Wohnung, in der alle schlafen und …«
    Â»â€¦ erschießt einen nach dem anderen«, ergänzte ich.
    Â»Genau«, sagte Jaatinen.
    Wir ließen uns wieder eine Weile vom Wind peitschen. Der betongraue Himmel wölbte sich hoch über unseren Köpfen. Ein schwarzbrauner Köter lief allein über die Uferstraße wie ein einsamer Jogger, ein paar grauweiße Möwen wichen ihm träge aus, wie aus Pflichtgefühl.
    Â»Eine kühne Annahme«, sagte ich.
    Â»Eine bloße Annahme«, sagte Jaatinen.
    Â»Aber angesichts dessen, was wir wissen …«
    Â»â€¦ ist es vielleicht doch keine

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