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Der Heiler

Der Heiler

Titel: Der Heiler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antti Tuomainen
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Dann blickte ich in dieselbe Richtung wie die Kamera. Hunderte Menschen, Autos, Lichter, das ganze Gewimmel, in dem ich Johanna hatte finden wollen.
    Manchmal sieht man es erst, wenn man aufhört hinzuschauen, hatte Jaatinen gesagt.
    Ich rief ihn an.
    Ich war mir nicht ganz sicher, aber scheinbar saßen auch diesmal dieselben sieben Leute vor den Monitoren wie bei meinem letzten Besuch. Konzentrierte Besorgnis hatte sich auf ihre Gesichter gelegt.
    Jaatinen führte mich wieder zu dem Computer im ­vorderen Teil des Raumes und öffnete mir mit seinem Passwort den Zugang zu den Datenbanken. Auf dem Weg von der Eingangshalle in die zweite Etage hatten wir nur wenige Worte gewechselt. Jaatinen war nicht nur wie sonst immer müde, sondern gereizt und abwesend, so als wäre er in Gedanken woanders und würde dort ebenso üble Laune verbreiten wie hier. Das war ein neuer Zug an ihm.
    Ich hörte die Tastatur unter seinen starken Fingern klappern und spürte förmlich die fragenden Blicke der anderen. Doch als ich kurz aufblickte, schenkte uns niemand auch nur die geringste Beachtung. Jaatinen erhob sich, sah mich an und wollte etwas sagen. Sein Blick verriet, dass er tatsächlich woanders war. Was auch immer er mir mitteilen wollte, er dachte lange darüber nach. Dann zeigte er auf den Monitor und versprach, in einer halben Stunde wiederzukommen. Ich antwortete, dass ich vermutlich gar nicht so lange brauchen würde.
    Jaatinen sah wieder durch mich hindurch. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging davon, seine Schritte waren schnell und zornig. Er verschwand im Treppenhaus und ließ eine aggressive Stimmung zurück, die auch mich ergreifen wollte. Ich machte mich an die Arbeit.
    Die Anzahl der Überwachungskameras war verwirrend. Zwar gingen einige von ihnen gar nicht, aber das Material der funktionierenden Kameras vermittelte ein recht deutliches Bild vom gesamten Stadtzentrum. Manche Straßen und Kreuzungen konnte man sogar aus verschiedenen Blickwinkeln und unterschiedlicher Höhe betrachten.
    Ich kehrte zu dem Zeitpunkt der Videoaufnahme zurück, vor dem ich bereits mehrere Stunden verbracht hatte. An der Ecke Fredrikinkatu und Urho Kekkosen katu hatte Johannas Handy das letzte Mal Signale gesendet. Die Gegend wirkte noch genauso verregnet und vom Wasser schwarz glänzend wie beim letzten Mal. Ich ließ die Bilderflut laufen.
    Kurz vor dem Zeitpunkt, an dem das Handy aus dem Netz verschwand, beugte ich mich instinktiv vor. Der Anblick war immer noch verschwommen und voller Lichtreflexe, mehr ein Gemälde als ein Foto oder ein Film. Eine Minute vor dem entscheidenden Moment war am Ende der Urho Kekkosen katu etwas zu sehen, das ich irgenwie schon erkannte, ehe es eigentlich möglich war. Und natürlich wusste ich schon von den E-Mails an Johanna, nach wem ich Ausschau halten musste.
    Die Gestalt wirkte zunächst einfach nur wie mit zwei Pinselstrichen gezeichnet. Ihre Bewegungen verrieten Hast, sie kam mit langen Schritten von Sekunde zu Sekunde näher und wuchs. Aus den zwei dunklen Pinselstrichen wurden mehrere und dann ein menschliches Wesen mit immer zahlreicheren individuellen Zügen, wie etwa der Art zu gehen, zur Seite zu blicken oder die Hand in die Tasche zu stecken. Ich wartete auf den Moment, in dem ich mir ganz sicher sein konnte.
    Die Gestalt erreichte die Straßenecke, nahm etwas aus der Jackentasche, berührte es mit der anderen Hand und steckte es wieder ein. In derselben Sekunde war Johannas Handy aus dem Netz verschwunden. Ein großer Laster überquerte die Kreuzung, ihm folgte ein Krankenwagen mit Blaulicht. Für einen Moment wirkte die Gegend wieder wie ein impressionistisches Gemälde, und ich begriff, wie mangelhaft ich vorher das Bild analysiert hatte. Als der Laster und das Ambulanzfahrzeug weg waren, stand die Person einen Moment lang so reglos vor dem Fußgängerüberweg, dass ich sie vorher gar nicht als Mensch erkannt hatte.
    Ich hielt das Bild an und vergrößerte es. Die aufrechte Gestalt wuchs, und ich erkannte sie immer deutlicher. Als nur noch das Gesicht auf den Monitor passte, regulierte ich die Schärfe und lehnte mich zurück. Ich konnte sogar die Bartstoppeln an Gromows Kinn erkennen.

    16 VON: Gromow, Wassili
AN: Lehtinen, Johanna
GESENDET: 21. Dezember 01.37 Uhr
BETREFF: Letzte kleine Bitte

    Johanna, ich möchte hier ein letztes Mal klarstellen, dass ich deine Meinung respektiere. Ich

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