Der Heiler
verstehe, wenn du sagst, dass du glücklich verheiratet bist und wir nur Arbeitskollegen sind. Und ich verstehe ebenfalls, dass du nach dieser Geschichte nicht mehr mit mir arbeiten willst â so traurig und ungerecht das auch sein mag. Ich will ehrlich deinen Entschluss akzeptieren, künftig mit anderen Fotografen zu arbeiten. Aber vorher habe ich eine kleine Bitte. Ehe sich unsere Wege trennen, möchte ich, dass du noch einmal darüber nachdenkst und dir all das vor Augen führst, was wir zusammen erlebt haben. Erinnerst du dich an die GeÂfahrenÂsituation im Kosovo, als wir mitten in ein Feuergefecht Âgerieten? Erinnerst du dich noch, an wen du dich geklammert hast, an wessen Schulter du dich lehnen konntest? Und weiÃt du noch, was geschah, als der Motor unseres Kleinbusses am Ufer des Eismeeres streikte und wir fast im kalten Wind erfroren? WeiÃt du noch, was du zu mir gesagt hast, als ich den Motor wieder in die Gänge bekam? Ich weià es noch. Du sagtest, dass du mir ewig dankbar bist. Ewig, Johanna. Das waren deine eigenen Worte. Jetzt habe ich eine Bitte an dich, und wenn du das damals wirklich ernst gemeint hast, akzeptierst du sie und willigst ein, ehrlich zu dir selbst und auch zu mir zu sein. Ich möchte mit dir noch einmal alles von Angesicht zu Angesicht besprechen und von dir die Wahrheit hören. Das ist das Mindeste, was du für den Menschen tun kannst, der dir das Leben gerettet hat. Und wenn du dann weiterhin der Meinung bist, dass ich nicht in dein Leben gehöre, muss ich das akzeptieren. Aber ich bitte um diese eine Möglichkeit, dieses eine Gespräch unter vier Augen. Ich fürchte, dass ich mich dir sonst erneut und auf andere Weise Ânähern muss.
Wassili
17 Ich fand das Reihenhaus im Stadtteil Maunula, am Rand des Zentralparks. Der Ziegelbau aus den 50ern bestand aus sechs Wohnungen. Aus der Beleuchtung zu schlieÃen, war überall jemand zu Hause. Gromows Wohnung war die vorletzte von links. Im Obergeschoss schimmerte gedämpftes Licht.
Gromows Adresse war leicht zu ermitteln gewesen, aber Jaatinens Interesse konnte ich damit nicht wecken. Als ich ihm die E-Mail und das Foto der ÃberwachungsÂkamera gezeigt hatte, hatte er sich mit der Bemerkung begnügt, dass das vielleicht eine Spur war. Ich wäre fast ausgerastet. Vielleicht eine Spur? Und als ich ihn zum Mitkommen bewegen wollte, hatte er wegen Zeitmangel abgelehnt. Damit war das Gespräch beendet gewesen.
Ich bat Hamid, das Taxi gegenüber, auf der anderen Seite des kleinen Parks, abzustellen und den Motor aus zuschalten. Der Park mit seinen Bäumen, Sträuchern und abgedunkelten Laternen bot einen guten Sichtschutz. Ich hatte nicht die Absicht, an der Tür zu klingeln. Ich wollte auf keinen Fall überfallartig auftauchen und meinen Irrtum von Jätkäsaari wiederholen, an den mich immer noch meine Rippen erinnerten. Es erschien mir klüger, erst mal die Situation abzuschätzen, mich zu Fuà zu nähern, eine Weile in der dunklen Nacht abzuwarten und dem Regen, dem beruhigenden Trommeln der Tropfen auf den feuchten, toten Blättern zu lauschen.
Links des Ziegelbaus waren es nur zehn Meter bis zum Nachbarhaus. Rechts hingegen stand ein breiter Streifen Wald, und erst nach etwa siebzig Metern folgte das nächste Haus. Das Licht aus seinen Giebelfenstern schien fröhlich durch die Zweige.
Ich überquerte die StraÃe und ging zu dem Wäldchen. Der nasse Sand knirschte und quietschte unter meinen FüÃen, auch wenn ich mich noch so sehr bemühte, leise aufzutreten. Der Wegrand war trockener und leiser. Weiter vorn zweigte ein Pfad zum Haus ab, er führte bergauf und war von Baumwurzeln durchsetzt, so dass ich aufpassen musste.
Die Hinterhöfe waren nicht umzäunt. Der Rasen begann an den Hintertüren und reichte bis zum Waldrand. Ich starrte eine Weile auf die Fenster, konnte nirgendwo eine Bewegung erkennen und überquerte schlieÃlich die fünfzehn Meter Rasen. Erst kurz vor dem Ziel sah ich, dass die hintere Tür zu Gromows Wohnung einen halben Zentimeter offen stand.
Ich blieb stehen und lauschte. Der Regen klopfte aufs Fensterbrett und auf die Platte des Gartentisches und rauschte im Wald. Irgendwo beschleunigte ein Auto, wurde langsamer und beschleunigte erneut. Stimmen waren nicht zu hören. Die Luft roch leicht säuerlich, als wäre die Erde zu feucht und zu oft eingeweicht und durchtränkt
Weitere Kostenlose Bücher
Zehn Mal Fantastische Weihnachten. Zehn Online Lesen
von
Sandra Regnier
,
Teresa Sporrer
,
Jennifer Wolf
,
Cathy McAllister
,
Natalie Luca
,
Jennifer Jäger
,
Melanie Neupauer
,
Katjana May
,
Mara Lang
,
Lars Schütz
,
Pia Trzcinska