Der Heilige Krieg
Ausbreitung des Islam sucht, muss neben der erfolgreichen Eigendynamik des Beutesystems auch die Situation der Gegner in Betracht ziehen. Byzantiner und Sassaniden hatten sich in Jahrzehnte dauernden Kämpfen gegenseitig geschwächt. Auf der Arabischen Halbinsel hatte man den Machtkampf der Großreiche im Vorderen Orient mit verteilten Sympathien verfolgt. Während die Koreischiten in Mekka erklärte Feinde von Byzanz waren, gab es in der Sippe Mohammeds Befürworter einer Koalition mit den christlichen Erben des Römischen Reiches.
Im Jahre 628 schickte Mohammed sogar einen Gesandten ins syrische Homs, um den dort weilenden byzantinischen Herrscher über die innerarabischen Entwicklungen zu informieren. Mohammed, so wird vermutet, wollte mit dem Kaiser ein Bündnis gegen die Sassaniden eingehen. Herakleios aber glaubte, nach seinen Siegen gegen die Perser keine Verbündeten mehr zu benötigen, und wies das Angebot Mohammeds zurück – eine Entscheidung mit Folgen.
Nun wurden beide Großmächte des Vorderen Orients zu Zielen der arabisch-islamischen Vorstöße. Schon Mitte des 7. Jahrhunderts war das neupersische Reich der Sassaniden trotz erbitterten Widerstands von der Landkarte verschwunden. Byzanz drohte ein ähnliches Schicksal.
Kampf um die Vorherrschaft im Nahen Osten
Als sich in Innerarabien der Islam ausbreitete, führten das oströmische Byzanz und das persische Sassanidenreich den »letzten großen Krieg der Antike« gegeneinander, wie Historiker den mit äußerster Härte ausgetragenen Konflikt nannten. Nach internen Machtkämpfen im byzantinischen Herrscherhaus war es den Sassaniden 614 gelungen, Jerusalem zu erobern. 616 drangen die Perser bis nach Chalkedon am Ostufer des Bosporus vor und bedrohten Konstantinopel, die Hauptstadt des Byzantinischen Reiches. Ab 619 beherrschten sie auch die Kornkammer ihrer christlichen Gegner, Ägypten. Mit Kaiser Herakleios sollte sich das Blatt wenden. Unter Aufbietung der letzten Kräfte ging der Herrscher von Byzanz 622 in die Offensive. Im Dezember 627 gelang ihm bei Ninive ein entscheidender Sieg gegen die Sassaniden. Aber das jahrzehntelange Kräftemessen hatte beide Seiten ausgeblutet – ein nicht zu unterschätzender Vorteil für die arabisch-islamische Expansion in das Gebiet der einstigen Großmächte, die in den Jahren nach Mohammeds Tod 632 begann.
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Herakleios’ Schlacht gegen die Perser. Französische Buchmalerei des 15. Jahrhunderts.
635 standen die Muslime vor Damaskus, der wichtigsten Bastion der byzantinischen Christen im Nahen Osten. Die Belagerung der Stadt, die von einer mächtigen Mauer umgeben war, dauerte länger als ein Jahr. Schließlich einigten sich muslimische Angreifer und christliche Verteidiger auf Kapitulationsbedingungen, die denen von Chaibar glichen. Die byzantinische Garnison musste die Stadt aufgeben, und die Verwaltung von Damaskus wurde einem arabischen Gouverneur unterstellt. Aber
Einrichtungen wie Hospitale, Bäder und Bibliotheken wurden samt ihrem Personal übernommen. Auch der christliche Bischof behielt sein Amt.
Bei Gegnern, die sich freiwillig ergaben, ließen die Muslime Umsicht und Toleranz walten. Damaskus blieb von Plünderungen verschont, musste aber an seine neue Herren aus den Steuer- und Zolleinnahmen einen jährlichen Tribut entrichten. Die nichtmuslimische Bevölkerung wurde weder versklavt noch zu einem Glaubenswechsel gezwungen, war aber zur Bezahlung der Kopfsteuer, der »Dschizya«, verpflichtet.
Als Reaktion auf den Fall von Damaskus entsandte Kaiser Herakleios eine Streitmacht gegen die Muslime, die er unter den Oberbefehl seines Bruders Theodorus stellte. Anfang August 636 traf das nach neuzeitlichen Schätzungen etwa 20 000 bis 40 000 Mann starke Heer der Byzantiner an einem Nebenfluss des Jordans auf die arabisch-islamischen Kräfte. Mehrere Wochen verstrichen, in denen beide Seiten versuchten, sich durch kleinere Gefechte Geländevorteile zu verschaffen und dabei die Stärken und Schwächen des Feindes zu erkunden.
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661 machten die Umayyaden Damaskus zu ihrer Hauptstadt und die ursprünglich Johannes dem Täufer geweihte Basilika zur »Großen Moschee«.
Am 20. August 636 kam es schließlich am Jarmuk zur entscheidenden Schlacht, deren Ausgang für viele Historiker das »Ende der Antike« markiert. Das byzantinische Heer spiegelte in seiner Zusammensetzung das Vielvölkergemisch des Oströmischen Reiches wider. Bis zum Schluss gelang es Theodorus nicht, die
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