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Der Heilige Krieg

Der Heilige Krieg

Titel: Der Heilige Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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gegen die Armee der Araber und der Mauren, die Musa unter Tariq ibn-Ziyad geschickt hatte. Im fünften Jahre der Herrschaft Justinians II., im 93. Jahr der Araber, im sechsten des Kalifen Walid aus Damaskus, fiel Roderich im Kampfe, und sein Heer floh.«
    Seine umfangreichen Aufzeichnungen verfasste der unbekannte Chronist auf Lateinisch, und seine Detailkenntnisse lassen darauf schließen, dass er in Córdoba lebte. Die Muslime hatten nach der Eroberung Spaniens die Stadt am Guadalquivir zu ihrer Hauptstadt gemacht. Die Sicht des Verfassers auf die Ereignisse in Spanien ist die eines Mozarabers, das heißt die eines Christen, der unter maurischer Herrschaft lebt: »Wer kann das Unheil ermessen? Selbst wenn alle seine Glieder in Zungen verwandelt würden, wäre es einem einzelnen Menschen unmöglich, das ganze Verderben zu schildern, das Spanien heimgesucht hat. Und dennoch will ich es versuchen.«

    Ausbreitung des Islam bis 750. Innerhalb weniger Jahrzehnte hatten die Anhänger Mohammeds ein Weltreich erobert, das sich über drei Kontinente erstreckte.
    Nach dem Tod Roderichs 711 brach die Verteidigung des Westgotenreichs zusammen. Innerhalb von acht Jahren eroberten die Muslime die ganze Iberische Halbinsel bis auf einen Landstrich in den Bergen Galiciens. 721 machten sich die Mauren zum ersten Mal daran, über die Pyrenäen nach Norden vorzudringen. Im südfranzösischen Narbonne errichteten sie schließlich eine schwer befestigte Basis für ihre Ausfälle in das Zentrum des christlichen Europa.
    Die Christianisierung Europas
    Aus heutiger Sicht standen sich 732 zwischen Tours und Poitiers Vertreter des Orients und solche Europas gegenüber. Haben sich die gegnerischen Parteien auch so verstanden – als Repräsentanten unterschiedlicher Wertesysteme und »Leitkulturen«? Wohl kaum. Die Ironie der Geschichte will es sogar, dass der Name ›Europa‹ orientalische Ursprünge hat.
    Eine griechische Sage erzählt die Geschichte von Erob, der »Dunklen«. Sie war die Tochter eines phönizischen Königs und lebte in einer Hafenstadt auf dem Gebiet des heutigen Libanon. Zeus verwandelte sich in einen Stier, der die junge Frau auf seinem Rücken entführte. Er trug sie nach Westen, ins dunkle Abendland, das der orientalischen Schönheit dann auch seinen Namen verdankte: Aus Erob wurde Europa.
    Anfang des 8. Jahrhunderts war die Bezeichnung »Europa« für den Kontinent nördlich von Afrika noch keineswegs in Gebrauch. Die Grenzen Europas verliefen, je weiter man nach Osten blickte, im Ungefähren. Keiner der Krieger unter der Führung Karl Martells hätte sich selbst als Europäer bezeichnet, sondern bestenfalls als Franke, Aquitanier oder Langobarde. Umso erstaunlicher ist der Umstand, dass der Autor der bereits zitierten Chronik von 754 im Zusammenhang mit der Schlacht von Tours und Poitiers für genau jene Männer den lateinischen Begriff »Europenses« verwendet: »Im Morgengrauen nach gewonnener Schlacht inspizierten die Europäer das verlassene, aber immer noch geordnete Zeltlager der Araber [Europenses Arabum tentoria ordinata]. Sie sammelten und verteilten die Beute, bevor jeder in sein Vaterland zurückkehrte [Europenses vero … se leti recipiunt patrias].« Urplötzlich taucht der Begriff »Europäer« in einem Schriftstück des frühen Mittelalters auf, um auch gleich wieder für ein halbes Jahrhundert zu verschwinden. Erst Karl der Große, der Enkel Karl Martells, sollte 799 im Zuge seiner Erhebung zum Kaiser des Römischen Reiches wieder als »Vater Europas« – »Pater europe« – bezeichnet werden.
    Ist die Verwendung des Wortes »Europenses« nur ein Zufall? Oder deuten sich im Umfeld der Auseinandersetzung mit den muslimischen Eindringlingen die ersten Konturen einer gemeinsamen europäischen
Identität, eines christlich-abendländischen Selbstverständnisses an? So attraktiv der Gedanke auch erscheinen mag, der Realität Anfang des 8. Jahrhunderts entspricht er wohl nicht. Das zurückhaltende Urteil ist auch dem Umstand geschuldet, dass das Christentum zu diesem Zeitpunkt noch keineswegs alle Völker und Regionen Europas erreicht hatte.
    Bild 18
    Ein in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts entstandenes Fresko aus Pompeji illustriert die »Entführung Europas« durch Zeus in Gestalt eines Stiers.
    Die Christianisierung Europas hatte im 4. Jahrhundert begonnen. Es war zunächst eine Mission von unten, die von Wanderpredigern und Klostergemeinschaften getragen wurde. Einen wichtigen Anteil daran

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