Der Heilige Krieg
militärische Führung seiner auch aus Söldnern und Vasallenverbänden bestehenden Truppen zu geschlossenem Handeln zu bewegen.
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Herakleios (575 – 641, Mitte) und seine Söhne. Münze von 641.
Die Anhänger Mohammeds obsiegten am Jarmuk dank ihrer besser organisierten Führung und ihrer schnellen, wendigen Reiterei. Schlachtentscheidend könnte aber auch das Überlaufen von tausenden arabisierten Soldaten zu den Muslimen gewesen sein. So berichten es jedenfalls byzantinische Chroniken. Vor allem aus dem Truppenkontingent der Ghassaniden, eines arabischen Vasallenstaats von Byzanz, sollen viele Krieger die Seite gewechselt haben.
Islamische Quellen sprechen davon, dass die byzantinischen Feldherren ihre Truppen teilweise in Ketten hatten legen lassen, um eine Flucht oder ein Überlaufen zu verhindern. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um Propaganda, zumal die arabischen Chroniken häufiger solche Maßnahmen ihrer Gegner erwähnen. Auch die persischen Sassaniden sollen auf diese Weise gegen ihre eigenen Truppen vorgegangen sein. Der wahre Kern dieser Übertreibungen wird darin liegen, dass vor allem die arabisierte Landbevölkerung, der ein Großteil der einfachen Soldaten entstammte, offen mit dem Islam sympathisierte.
Was auch immer den Ausschlag gegeben hat – mit der Niederlage am Jarmuk ging nicht nur die kulturgeschichtliche Epoche der Antike, sondern auch die 300-jährige Herrschaft von Byzanz über Syrien, Palästina und Ägypten zu Ende. Der Ansturm der Muslime auf das christliche Byzanz konnte erst im Jahr 718 vor den mächtigen Mauern von
Konstantinopel gestoppt werden. Aber dann hielt das dezimierte Oströmische Reich dem Vormarsch des Islam für mehr als sieben Jahrhunderte stand. Das christliche Bollwerk am Bosporus verhinderte bis zu seinem Untergang im Jahr 1453 eine Expansion des Islam nach Osteuropa. Am anderen, westlichen Ende des Mittelmeers sollte das Kräftemessen zwischen Islam und Christentum einen anderen Verlauf nehmen.
Nachdem die Kämpfer des Islam Ende des 7. Jahrhunderts auch das Gebiet Marokkos erobert hatten, überquerte im Frühjahr 711 eine Expeditionsstreitmacht der Muslime die Meerenge von Gibraltar in Richtung Spanien.
Mit welchen Absichten waren die Muslime in Spanien gelandet? Wollten sie nur Beute machen? Oder hatten sie tatsächlich vor, im Süd-westen Europas Fuß zu fassen? Im Jahr zuvor hatten bereits muslimische Berber unter ihrem Anführer Tarif eine »razzia« auf die von den Westgoten beherrschte Iberische Halbinsel unternommen. Das Unternehmen dürfte sehr erfolgreich verlaufen sein. Und die Informationen, welche die Teilnehmer des Beutezugs dabei über die aktuelle Herrschaftssituation im Westgotenland einholen konnten, müssen verheißungsvoll geklungen haben. Gut genug für Musa ibn-Nusayr, der als Gouverneur »Ifriqiyas«, der afrikanischen Provinzen des Islamischen Reiches, für 711 einen größeren Angriff befahl. Er be-auftragte seinen Statthalter in Tanger, Tariq ibn-Ziyad, die Führung der 12 000 Kämpfer zu übernehmen.
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Tariq ibn Ziyad, der 711 mit einer Expeditionsarmee in Gibraltar landete.
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Die Niederlage des Gotenkönigs Roderich bei der Schlacht am Fluss Guadalete im Jahr 711. Ölgemälde von Salvador Martinez Cubells, Ende 19. Jahrhundert.
Die muslimischen Mauren aus Nordafrika wussten vermutlich um den Machtkampf, der das Westgotenreich spaltete. Roderich war 710 zum König gewählt worden. Allerdings hatte man bei der Abstimmung die Söhne seines Vorgängers Witiza übergangen. Hartnäckig hält sich deswegen bis heute die Vermutung, dass die solchermaßen Ausgebooteten die Muslime ins Land gerufen hätten, um Roderich zu stürzen. Allerdings gibt es dafür keine Beweise. Neben den internen Anfeindungen musste sich Roderich auch mit den Basken auseinandersetzen, die in ihrer Provinz im äußersten Norden Spaniens der westgotischen Herrschaft hartnäckigen Widerstand leisteten. In der Tat befand sich Roderich auf einem Feldzug gegen die Basken, als er die Nachricht vom Einfall der Muslime erhielt. Ein Bote soll über das Invasorenheer, das wie aus dem Nichts aufgetaucht
sei, gesagt haben: »Wir wissen nicht, ob sie vom Himmel gefallen oder ob sie aus den Tiefen der Erde gekrochen sind.«
Als wesentlich besser informiert erweist sich der Autor der sogenannten Chronik von 754 , die unter Historikern als zuverlässigste Quelle zum Untergang des Westgotenreichs gilt: »Roderich regierte nur ein Jahr. Er zog
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