Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der heimliche Rebell

Der heimliche Rebell

Titel: Der heimliche Rebell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
Vom Netzwerk:
zuhörte.
    „Dann“, fuhr das Mädchen in einem ruhigen Tonfall fort, als rezitiere sie etwas, „bearbeitete er mit einer Schmelzl a dung das vorgestreckte Bein – also das rechte. Die Statue ist eine gegossene Thermoplastik. Als das Bein biegsam wurde, veränderte der Schurke seine Stellung. Major Streiter steht nun mit dem Kopf in der Hand da und scheint im Begriff zu sein, ihn weit in den Park hinauszukicken. Sehr originell, und sehr peinlich…“
     
    Nach einer Weile sagt Allen: „In Anbetracht der Umstände kann man ihnen nicht übelnehmen, daß sie eine Kiste drum herum gezimmert haben.“
    „Sie mußten es einfach tun. Aber eine ganze Reihe von Leuten hat die Statue gesehen, bevor sie die Kiste erricht e ten. Ihre allererste Maßnahme war, die Kohorten des Major Streiter herüberzubeordern; sie müssen wohl gedacht haben, daß noch mehr passieren würde. Als ich vorbeikam, waren da diese ganzen finster aussehenden jungen Männer in ihren braunen Uniformen, die einen Sperriegel rings um die Statue bildeten. Aber man konnte trotzdem alles sehen. Dann, i r gendwann im Verlauf des Tages, wurde die Kiste errichtet.“ Erläuternd fügte sie hinzu: „Verstehen Sie, die Leute lac h ten. Sogar die Legionäre der Kohorten. Sie konnten einfach nicht anders. Erst kicherten sie bloß, aber dann brach es aus ihnen heraus. Mir taten diese jungen Männer so leid… sie haßten es, so lachen zu müssen.“
    Jetzt hatten sie beide eine erleuchtete Straßenkreuzung e r reicht. Das Mädchen blieb stehen. Auf ihrem Gesicht war ein Ausdruck der Besorgnis. Sie schaute aufmerksam zu ihm auf, musterte ihn eingehend, und ihre Augen waren groß.
    „Sie sind in einer schrecklichen Verfassung“, sagte sie. „Und es ist mein Fehler.“
    „Nein“, antwortete er. „Mein eigener Fehler.“
    Ihre Hand legte sich auf seinen Arm. „Was ist denn los?“
    Voller Ironie sagte er: „Berufliche Probleme.“
    „Oh.“ Sie nickte. Aber immer noch umklammerte sie se i nen Arm mit ihren fest zupackenden Fingern. „Haben Sie eine Ehefrau?“
    „Eine sehr liebe.“
    „Hilft sie Ihnen?“
    „Sie macht sich sogar noch mehr Sorgen als ich. Gerade in diesem Augenblick ist sie daheim und schluckt Tabletten. Sie hat eine fabelhafte Sammlung.“
    Das Mädchen sagte: „Wollen Sie Hilfe?“
    „Ja“, antwortete er und war nicht sehr überrascht über seine eigene Offenheit. „Sehr dringend.“
    „Genau das habe ich mir gedacht.“ Das Mädchen setzte sich wieder in Bewegung, und er ging mit. Sie schien ve r schiedene Möglichkeiten gegeneinander abzuwägen. „Heu t zutage“, sagte sie, „ist es schwierig, Hilfe zu bekommen. Es ist nicht üblich, daß Sie überhaupt Hilfe wollen. Ich kann Ihnen eine Adresse geben. Wenn ich’s tue, werden Sie dann auch davon Gebrauch machen?“
    „Das läßt sich unmöglich sagen.“
    „Werden Sie wenigstens versuchen, davon Gebrauch zu machen?“
    „Ich habe noch nie in meinem Leben um Hilfe gebeten“, sagte Allen. „Ich kann nicht sagen, was ich täte.“
    „Hier ist sie“, sagte das Mädchen. Sie überreichte ihm e i nen zusammengefalteten Zettel. „Stecken Sie ihn in Ihre Brieftasche. Nicht anschauen – stecken Sie ihn einfach nur weg, bis Sie ihn benutzen wollen. Holen Sie ihn erst dann heraus.“
    Er steckte den Zettel weg, und sie betrachtete ihn unve r wandt.
    „Sehr schön“, sagte sie zufrieden. „Gute Nacht.“
    „Sie gehen?“ Er war nicht einmal überrascht; es schien völlig selbstverständlich.
    „Ich werde Sie wiedersehen. Wie ich Sie früher schon g e sehen habe.“ Sie verschmolz in der Dunkelheit der Seite n straße. „Gute Nacht, Mr. Purcell. Passen Sie gut auf sich auf.“
    Irgendwann später, als das Mädchen gänzlich in den Schatten verschwunden war, wurde ihm langsam bewußt, daß sie nicht zufällig dort im Park gestanden hatte. Sie hatte auf ihn gewartet. Hatte gewartet, weil sie genau wußte, daß er kommen würde.

6
     
    Am nächsten Tag hatte Allen Mrs. Frost immer noch keine Antwort zukommen lassen. Die Stelle des Direktors von T-M war angesichts von Mavis’ Rücktritt und Allens Zögern derzeit vakant. Der große Medienkonzern rollte allerdings durch seinen eigenen Schwung weiter. Allen zweifelte nicht daran, daß die unteren Chargen in der Hierarchie unbeirrt fortfuhren, Formblätter abzustempeln und Vordrucke ausz u füllen. Das Monster lebte, aber nicht so, wie es eigentlich sollte.
    Unsicher, wieviel Zeit er hatte, um seine Entscheidung zu treffen,

Weitere Kostenlose Bücher