Der heimliche Rebell
Dienst Zuflucht“, meldete sich eine g e schäftsmäßige, aber freundliche Stimme an seinem Ohr.
„Gibt es bei Ihnen eine gewisse Gretchen Malparto?“
Zeit verstrich. „Miß Malparto ist im Moment nicht im Hause. Möchten Sie vielleicht mit Doktor Malparto spr e chen?“
Aus unbestimmten Gründen gereizt, sagte Allen: „Ihr Gatte?“
„Doktor Malparto ist Miß Malpartos Bruder, Wer ist da am Apparat, bitte?“
„Ich hätte gerne einen Termin“, sagte Allen. „Geschäftl i che Probleme.“
„Aber gewiß, Sir.“ Das Rascheln von Papier. „Ihr Name, Sir?“
Er zögerte und erfand dann einen. „Ich werde unter dem Namen Coates kommen.“
„Aber gewiß, Mr. Coates.“ Es folgten keine weiteren Nachfragen zu diesem Punkt. „Würde Ihnen morgen früh um neun passen?“
Er wollte schon zustimmen, aber dann fiel ihm die Bloc k versammlung ein. „Sagen wir lieber Donnerstag.“
„Donnerstag um neun“, sagte das Mädchen lebhaft. „Mit Doktor Malparto. Danke für Ihren Anruf.“
Als Allen in die Agentur zurückkehrte, fühlte er sich schon ein bißchen besser.
7
In der überaus moralischen Gesellschaft anno Domini 2114 liefen die wöchentlichen Blockversammlungen nach einem gestaffelten System ab, so daß die Blockwarte aus den u m liegenden Wohneinheiten in der Lage waren, nacheinander an allen Versammlungen teilzunehmen; Vorsitzender des so gebildeten Gremiums war stets der Blockwart der jeweiligen Wohneinheit. Da der Block der Purcells der Zuständigkeit von Mrs. Birmingham unterlag, nahm von den versamme l ten Damen mittleren Alters heute sie den erhöhten Stuhl des Vorsitzenden ein. Ihre Mitstreiterinnen in den geblümten Seidenkleidern belegten weitere Stühle beiderseits von ihr auf dem Podest.
„Ich hasse diesen Raum“, sagte Janet. Unwillkürlich stockte ihr Schritt an der Tür.
Allen ging es nicht anders. Hier unten auf der ersten Eb e ne der Wohneinheit, in eben dieser großen Kammer, trafen sich all die örtlichen Ligen, Komitees, Clubs, Ausschüsse, Vereinigungen und Orden. Der Raum roch nach abgesta n denem Sonnenlicht, Staub und den Aktennotizen, die sich Schicht um Schicht über die Jahre hin darin aufgetürmt ha t ten. Von hier nahm das behördliche Schnüffeln und Au s spionieren seinen Ausgang. In diesem Raum waren die A n gelegenheiten eines jeden jedermanns Angelegenheit. Jah r hunderte christlichen Beichtwesens erreichten ihren Höh e punkt, wenn der Block zusammenkam, um das Gewissen seiner Mitglieder zu erforschen.
Wie immer waren mehr Leute da, als es Plätze gab. Vi e le mußten stehen, und sie füllten die Ecken und Gänge. Das Belüftungssystem ächzte und mischte die Qualmwolke neu auf. Allen wunderte sich jedesmal wieder über den Qualm, weil keiner eine Zigarette zu haben schien und das Rauchen ohnehin untersagt war. Aber er war da, daran gab es nichts zu rütteln. Vielleicht kam auch er, wie der Schatten des läuternden Feuers, aus dem reichen Fundus der Verga n genheit.
Wie von selbst richtete sich Allens Aufmerksamkeit auf die Schar der Pimpfe. Da waren sie alle, diese an Ohrwü r mer erinnernden Schnüffler. Jeder Pimpf maß knapp einen halben Meter. Die Angehörigen dieser Spezies huschten mit beängstigender Geschwindigkeit dicht am Boden dahin oder senkrechte Flächen hinauf, und dabei entging ihnen nichts. Die Pimpfe hier waren im Moment desaktiviert. Die Bloc k warte hatten die metallenen Rümpfe aufgeklappt und die Berichtbänder herausgeschält. Die Pimpfe blieben während der Versammlung abgeschaltet und wurden erst im A n schluß daran wieder in Betrieb gesetzt.
Von diesen metallenen Denunzianten ging etwas Unhei l verkündendes, aber auch etwas gleichsam Ermutigendes aus. Die Pimpfe klagten nicht an; sie berichteten nur, was sie gehört und gesehen hatten. Sie konnten ihre Informationen nicht subjektiv färben, und türken konnten sie sie erst recht nicht. Da das Opfer rein mechanisch angeklagt wurde, war es sicher vor hysterischen Gerüchten, persönlicher Böswi l ligkeit und Paranoia. Aber dafür stand die Schuld nie in Fr a ge; die Beweise lagen ja bereits vor. Der Gegenstand, der hier verhandelt werden mußte, war lediglich die Schwere der moralischen Verfehlung. Das Opfer konnte nicht geltend machen, ungerechtfertigt angeklagt worden zu sein; alles, was es geltend machen konnte, war sein Pech, belauscht worden zu sein.
Auf dem Podest ging Mrs. Birmingham die Teilnehmerl i ste durch und prüfte nach, ob auch alle gekommen waren. Das
Weitere Kostenlose Bücher