Der Heiratsspezialist
was er aus Amerika nicht kannte. Ein Taxi brachte ihn von Riem in die Innenstadt. »Wohin«, hatte der Fahrer gefragt. Und Bob hatte geantwortet: »In irgendein Hotel!« Und der Fahrer hatte gefragt: »Viel Money, oder wenig Money?« Man einigte sich darauf, daß der Begriff ›viel‹ relativ sei, und das Taxi setzte Bob Brook vor dem Hotel ›Königshof‹ ab. Er bekam ein schönes Zimmer mit Blick auf den Stachus, dem angeblich belebtesten Platz Europas, und gab dem Boy fünf Mark Trinkgeld. Dann wanderte Bob in dem großen Raum herum, bewunderte die blaugemusterten Polstermöbel, die braunen Wände, die schweren Portieren, den dicken Teppichboden, die eingebauten Schränke und Jalousietüren, entdeckte die Minibar und erfrischte sich zunächst mit einem Gin Tonic.
Es war das schönste Zimmer, das er je bewohnt hatte.
München. Der Anfang einer großen Karriere.
Bob zählte sein Geld und die Travellerschecks, saß dann zögernd auf der Bettkante und starrte auf das Telefon. Jenny ist eine Investition wert, dachte er. Nur ganz kurz … nur hallo …
Er ließ sich mit Las Vegas verbinden und war erstaunt, daß in Deutschland eine Verbindung nicht länger dauerte als in den USA.
Jenny war natürlich schon auf, in Las Vegas war ja jetzt Morgen. Sie meldete sich mit »Bobs Ice-Saloon«, und Bob empfand ein Glücksgefühl, als er ihre Stimme hörte.
»Darling …«, sagte er überwältigt.
»Wer ist da?«
»Bob …«
Im fernen Las Vegas erklang ein Aufschrei, dann Jennys flatternde Stimme.
»Süßer, wo bist du?«
»In München.«
»Warum?«
»Habe einen Tip bekommen! Jenny, ich liebe dich! Good bye … es wird zu teuer!«
Er drückte auf die Gabel, küßte die Sprechmuschel des Telefons und beschloß den Tag, indem er aus der Minibar seines Zimmers alle Wodka-, Gin- und Whisky-Fläschchen austrank. Zufrieden fiel er ins Bett. München war eine schöne Stadt …
Am nächsten Morgen kaufte sich Bob alle in München erscheinenden Zeitungen, studierte drei Stunden lang die Rubriken VERMIETUNGEN und telefonierte dann mit sieben Maklern und neun Hausbesitzern. Vier Makler und fünf Hausbesitzer erklärten ihm, als Bob sich als Amerikaner vorstellte, die Wohnung sei schon vergeben. Ein Makler jedoch pries die freie Wohnung an, als sei er Conferencier im großen Ballsaal des ›Imperial‹ von Las Vegas. Er sprach ein akzentfreies Englisch, und das bewog Bob, nach Bogenhausen zu fahren.
Wer in München als Adresse Bogenhausen angibt, braucht kaum noch andere Referenzen. Bob war sowohl begeistert, wie betroffen, als er die Wohnung besichtigte: Eine Etage einer weißen Villa, zu der ein Park mit einem Springbrunnen gehörte.
»Die gesamte Einrichtung im Louis-XV.-Stil«, erklärte der Makler. »Ein einmaliges Objekt. Unter Ihnen wohnt ein pensionierter Ministerialdirigent, der schwerhörig ist. Berufskrankheit sozusagen, hoho! Er ist der Hausbesitzer, und Sie werden ihn nicht stören, weil er Sie nie hört. Sie können sofort einziehen, die Wohnung ist voll funktionsfähig. Kaution DM 5.000, Miete pro Monat DM 3.000. Kalt!«
»Was heißt kalt?« fragte Bob irritiert.
»Ohne Heizung.«
»Muß ich die einbauen?«
»Die Heizölkosten werden pro Jahr anteilig berechnet.« Der Makler setzte sich an einen der wertvollen Louis-XV.-Tische und holte aus seiner Aktentasche einen Block mit Mietverträgen heraus. »Entspricht die Wohnung Ihrem Geschmack, Mister Brook?«
Bob stand an dem großen Doppelfenster und blickte hinaus in den Park. Der schwerhörige Ministerialdirigent wanderte durch den Garten und streute Vogelfutter. 8.000 sind auf einmal weg, dachte Bob. Auch wenn ich die Kaution später zurückbekomme – jetzt fehlt sie mir! Das halbe Startkapital wird in die Wohnung gesteckt. Es ist wie bei den einarmigen Banditen in Las Vegas: Man wirft das Geld ein, der Apparat schnurrt los, aber ob er jemals Dollars ausspuckt, weiß kein Mensch. Aber wie soll man das ändern? Das ganze Leben ist ein Glücksspiel.
»Okay!« sagte Bob mit trockener Kehle. »Ich nehme sie. Kann ich gleich hierbleiben?«
»Wenn Sie das Geld greifbar haben?«
Nachmittags um halb vier war Bob Brook Mieter einer Wohnung, deren Eleganz und geschmackvolle Einrichtung jeden künftigen Besucher davon überzeugen mußte, daß Gediegenheit noch immer die Basis der Wohnkultur ist. Er lief durch alle vier Zimmer, setzte sich in jeden Sessel und auf jeden Stuhl. Dann stieg er die Marmortreppe hinunter und stellte sich beim Hausbesitzer vor. Der
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