Der Heiratsspezialist
Laugenbrezeln.
Am vierten Tag rief Bob, von Untergangsvisionen gepeinigt, der Reihe nach die Anzeigenabteilungen an.
»Ist auf meine Chiffre schon etwas angekommen?« fragte er höflich und kläglich zugleich.
Bei der ›Abendzeitung‹ antwortete man: »Warum melden Sie sich nicht? Kommen Sie bitte sofort und bringen Sie eine Reisetasche mit!«
Bob war verwirrt. Die ›tz‹ riet ihm, einen Koffer mitzubringen, beim ›Merkur‹ war's nur eine Aktentasche, bei der ›Süddeutschen‹ erklärte man ihm vornehm, es sei ein überdurchschnittlicher Posteingang zu verzeichnen.
Mit einem Taxi fuhr Bob die Expeditionen ab und sammelte ein. Der Taxichauffeur, wie fast alle seine Kollegen im Umgang mit Amerikanern erfahren, fragte, als sie wieder in Bogenhausen angekommen waren: »Haben Sie Ölfelder in Texas angeboten?«
»So ähnlich«, antwortete Bob überwältigt. »Die Deutschen sind ein herrliches Volk!«
Der Taxifahrer nickte. Ein Spinnerter, dachte er, ließ sich bezahlen und fuhr davon. Bob trug die Post in seine Wohnung, schüttete alle Briefe auf den großen Tisch des Eßzimmers und betrachtete sie genußvoll. Dann rannte er zum Telefon und wählte Las Vegas.
Dort war natürlich tiefe Nacht, und dementsprechend sagte Jenny ungnädig: »Geh aus der Leitung, du Miststück!«
»Hier bin ich, mein Darling!« schrie Bob. »Jenny, es geht los! Ich schätze, über fünfhundert Briefe.«
»Wo bist du?« schrie Jenny zurück. »'ne ganze Woche keinen Ton! Wer liegt bei dir im Bett?«
»Ich schwöre es dir, Süße: niemand! Ich habe jetzt eine Wohnung.« Er nannte Adresse und Telefonnummer, gab über mehrere tausend Kilometer hinweg ein Küßchen und hängte ein.
Welch ein Meer von Briefen! Wie begehrt war ein Amerikaner …
Nach zwei Stunden wußte Bob, daß er sich wirklich auf ein Glücksspiel eingelassen hatte. Einen Berg von Zuschriften hatte er schon aussortiert: die Angebote gewerbsmäßiger Damen mit Detailangaben und Stundenpreis; die Einladungen von Privatclubs zur toleranten Freizeitgestaltung; das Fotoalbum eines exklusiven Etablissements – man brauchte nur die Nummer unter dem zusagenden Foto zu nennen, und die Dame kam ins Haus.
Ein Gesangverein suchte einen neuen Sangesbruder, der DM 1.000 Einstand in die Vereinskasse zahlen würde. Prospekte von vierzehn Nachtlokalen versprachen Entspannung in angenehmer Atmosphäre.
Ein Wanderkreis behauptete, in frischer Luft entfalte sich die menschliche Persönlichkeit.
Bob Brook legte eine Pause ein und trank einen Whisky. Den ›Playboy‹, den er gestern gekauft hatte, brauchte er gar nicht mehr aufzuschlagen; die den Briefen beigefügten Bilder übertrafen alle gedruckten Reize.
Spät am Abend nahm sich Bob dann noch einmal die wenigen Zuschriften vor, von denen er sich etwas versprach. Besonders ein Brief gefiel ihm. Er kam von einer Erika Blume aus der Fürstenrieder Straße. Ein klarer, knapper Brief, ohne Bild, mit kurzen Angaben. Beruf: Modezeichnerin. Alter: 30 Jahre. Hobbys: Opern, Konzert, Malerei, fremde Länder.
Eine künstlerische Natur mit Fernweh … Bob fühlte sich sofort zu Erika Blume hingezogen. Wenn auch das Heiraten ein Geschäft sein sollte – mit einem bißchen Sympathie wäre alles doch viel einfacher.
Bob drehte den Brief zwischen den Fingern und schnupperte daran. Kein Parfüm – hätte auch nicht zu Erika gepaßt. Er wählte die Telefonnummer, die im Absender angegeben war.
Eine tiefe, hallende Männerstimme sagte: »Bubelatz …«
»Wie bitte?« stotterte Bob verwirrt.
»Bubelatz! Institut für lautlose Selbstverteidigung. Was kann ich für Sie tun?«
»Have you Miß Blume?« fragte Bob.
Jetzt war Bubelatz verwirrt. »Wer ist denn da?« dröhnte er.
»An American in Munich …«
»Arschloch!« sagte Bubelatz, hustete ins Telefon und legte auf.
Durch Unhöflichkeit ließ sich Bob nicht beirren. Sofort wählte er noch einmal. Und siehe da, nicht der grobe Bubelatz hob jetzt ab, sondern eine klare Mädchenstimme meldete sich. Bob wedelte erfreut mit dem Brief.
»Miß Blume?« rief er. »Sprechen Sie englisch?«
»Ja.«
»Herrlich! Sie sind doch Miß Erika Blume?«
»Ja.«
»Ich habe Ihren Brief erhalten. Mein Name ist Bob Brook. Der Amerikaner …«
»Ich habe Ihnen geschrieben, ja.«
Das klang kühl. Bob setzte sich neben das Telefon und lauschte auf den Klang ihrer Stimme. Als Musiker hat man ein Ohr für solche Feinheiten. Wenn zum Beispiel Jenny sprach, klang es wie ein Balzgesang. In Erika Blumes
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