Der Heiratsspezialist
Stimme lag kein erotischer Unterton; sie war so unverfänglich wie ein Glas klares Wasser.
»Wer war der fürchterliche Mensch vorhin am Telefon?« fragte Bob.
»Waldemar Bubelatz. Karatelehrer. Mein Wirt. Ich wohne bei ihm zur Untermiete. Ich kam zufällig ins Wohnzimmer, als er Sie anatomisch klassifizierte. ›Ein Ami!‹ brüllte er, da riefen Sie wieder an.«
»Wann können wir uns sehen?« fragte Bob.
»Sie fragen gar nicht, welch ein Typ ich bin? Ich hatte kein Bild beigelegt.« Erikas Stimme klang nachdenklich. »Auch Sie können eine Art Frankenstein sein.«
»Ich bin ein netter, angenehmer, höflicher Mann von 35 Jahren, gelernter Musiker – Trompete, Klavier und Orgel –, und ich habe von einem sadistischen Onkel einen Ice-Saloon geerbt. Ich wäre längst pleite, wenn ich nicht so bescheiden wäre. Hören Sie, Erika?«
»Ja. Das klingt gut.«
»Ich bin also kein Ölmillionär, sondern ein geschäftlicher Winzling. Enttäuscht?«
»Im Gegenteil. Und nun suchen Sie in Deutschland Arbeit?«
»Wie man's nimmt. Ich möchte heiraten …«
»Das kann auch zur Arbeit ausarten.«
»Erika, Sie sind ein Idealfall!« Bob klatschte in die Hände. »Reden wir nicht herum. Ich suche eine Frau, die sich mit mir verheiraten will, um dadurch Amerikanerin zu werden. Sie wissen ja: Durch die Ehe erwirbt sie schneller alle Bürgerrechte der USA! Mit der Heirat ist natürlich die Garantie der sofortigen Scheidung in Amerika verbunden.«
»Verstehe!« Erika Blume schien gar nicht erstaunt zu sein. »Für diesen Job ist allerdings Ihre Anzeige irreführend, Bob, das muß ich Ihnen sagen. Wieviel Angebote haben Sie bekommen?«
»Einen Sack voll.«
»Und wie viele waren brauchbar?«
»Eigentlich nur Sie, Erika!« sagte Bob kleinlaut.
»Sie machen das noch nicht lange?«
»Ich bin gerade bei der Firmengründung. Hätte ich annoncieren sollen: Wer will Amerikanerin werden? Junger Mann hilft dabei?!«
»So ähnlich. Wie hoch ist Ihre Taxe?«
Bob zuckte zusammen. »Haben Sie Geld, Erika? Mein Gott, Sie sind ja gar nicht entsetzt! Sie sprechen ja weiter mit mir! Wollen Sie etwa wirklich … Erika!«
»Ihre Anzeige fiel mir auf. Genau wie Sie hofften, daß sich die Richtigen melden, hoffte ich, daß Sie der Richtige sind. Anscheinend sind Sie es. Wir sollten uns wirklich sehen.«
»Morgen?« rief Bob begeistert. Die erste Kundin! Meine erste Ehefrau! Das Geschäft ist eröffnet!
»Wo ist Ihr Büro?« fragte Erika. Er nannte seine Anschrift. »Um elf Uhr zu einem Frühstückseis?« schlug er dann vor.
»Einverstanden. Und wo?«
»Schlagen Sie vor. Ich bin ja eben erst in München angekommen.«
»Um elf Uhr im Café Leopold?«
»Gut, woran werde ich Sie erkennen?«
»Ich trage am Ausschnitt einer blaßgelben Bluse eine künstliche rote Mohnblüte.«
»Süß!«
»Und wie finde ich Sie?«
»Ich bin der schönste Mann im Café.«
Erika Blume antwortete nicht, sondern legte auf. Einen Augenblick lang war Bob erschrocken. Das war zu dick aufgetragen, dachte er. Geschäfte dieser Art werden nüchterner abgewickelt. Klare Absprachen, klare Preise, reelle Bedienung … Ende! Man küßt ja auch nicht einen Karpfen, bevor man ihn schlachtet. Er überlegte, ob er Erika vergrault habe, und wählte noch einmal ihre Nummer, um sich zu entschuldigen.
»Bubelatz!«
Bob ließ den Hörer fallen und verzichtete auf eine höfliche Geste.
Er schlief köstlich, träumte von Erika Blume, die wie eine Elfe durch einen blühenden Hain schwebte und sphärische Laute von sich gab. Da weckte ihn ein lautes, rabiates Klingeln. Bob sprang aus dem Bett, sah auf die Uhr – es war schon acht Uhr morgens! – und tappte zur Wohnungstür. Wieder klingelte es anhaltend, als lehne sich jemand an den Knopf. Bob blieb stehen und überlegte. Er hatte noch keine Bekannten. Seine Adresse wußte auch keiner außer Jenny und seit gestern Erika Blume. Die eine war weit weg in Las Vegas, die andere traf er um 11 Uhr im Café Leopold. Blieb nur der schwerhörige Ministerialdirigent unter ihm, und der hörte wohl gar nicht, daß es längst Sturm klingelte. Bob riß die Tür auf.
Draußen stand ein mittelgroßer, gedrungener, blonder Mann um die vierzig und starrte Bob finster an.
»Sind Sie Bob?« fragte er.
Schon die Stimme hätte Bob warnen müssen, aber wer so aus dem Träumen gerissen wird, reagiert langsam, das Hirn schlummert noch.
»Ja!« sagte er unnötig.
»Bubelatz!«
Es gab ein klatschendes Geräusch, und Bob hatte das Gefühl, als
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