Der Heiratsspezialist
und der jetzt seine fünfte Zigarette rauchte. Dann ließ er den Blick zu dem blonden Mädchen wandern, das ihn mit offenem Mund anstarrte. Ihr Gesicht hatte einen schafsähnlichen Ausdruck angenommen: Ein Hammel beim Anblick einer fetten Weide. »Haben Sie jemanden, der mich abkauft?«
»Ihre Verwandten.«
»Fehlschuß! Ich habe keine mehr. Mein letzter Onkel machte mich zum Alleinerben. Gott strafe ihn dafür mit einer zugigen Wolke!«
»Irgendeiner wird zahlen!«
»Keiner! Wer denn und warum?«
Fred wurde unruhig. Er drehte die Zigarette in seinen Fingern und zerquetschte sie. Die Eule hustete heiser.
»Es wird doch irgend jemand auf der Welt geben, der für Sie zahlt!« rief der blonde Hüne. »Und wenn es Ihre Stadt ist!«
»Las Vegas?« Bob fand die Unterhaltung schon beinahe amüsant. »Fred, wenn Las Vegas einen Cent für mich zahlt, rutsche ich auf dem Hintern rückwärts nach Rom und melde das als Wunder an!«
»Was haben Sie geerbt?«
»Einen Ice-Saloon …«
»Na bitte!«
»Pleite! Ich brauche 100.000 Dollar, darin sind wir Brüder! Aber geben? Fred, Sie haben den total Falschen gekidnappt … Ich bin eine arme Sau …«
»Und was wollen Sie in Hamburg?«
»Geld verdienen!«
»Also haben Sie doch Bekannte!«
»Natürlich.«
»Und die werden zahlen.«
Würde Juliane Hatzle zahlen? Würde sie 200.000 Mark aufgrund ihres zu erwartenden Erbes beschaffen und ihn freikaufen? Immerhin ging es bei ihr um 2,4 Millionen, es blieb genug übrig, wenn sie den Heiratspreis und die Lösegeldsumme abzog. Und heiraten mußte sie, sonst kam sie nie an das Geld heran.
»Ich bezweifle das!« sagte Bob. »Finden Sie sich damit ab, Fred: Ich bin nur das Material wert, aus dem ich bestehe, das hat ein Chemiker mal ausgerechnet. Sie bekommen dafür keine zwei Whisky an der Bar …«
»Dann zahlt Ihr Staat!« sagte Fred laut. »Ich schreibe Ihrem Konsul! Der wird es schon weitergeben! Die werden doch nicht einen amerikanischen Staatsbürger verschimmeln lassen! Die holen Sie raus! Die blättern die 200.000 Mäuse auf den Tisch! Vor allem, wenn die Presse groß einsteigt. Amerikanischer Staatsbürger entführt. Washington soll 200.000 Mark zahlen. Wetten – die zahlen. Müssen sie ja – schon wegen dem öffentlichen Theater!«
»Und euch wird man jagen!«
»Haha!«
»Die deutsche Polizei …«
Der Hüne grinste breit. »Die spielt mit dem Sandmännchen! Die gründen dann 'ne Sonderkommission, dann kommen die Politiker mit 'nem Krisenstab, das Bundeskriminalamt mischt sich ein, ihr Amis schickt vielleicht ein paar vom FBI herüber – und alle arbeiten getrennt, machen, was sie wollen, behindern sich, bespitzeln sich gegenseitig und haben vollauf zu tun, die Kollegen vom anderen Amt nicht in die eigenen Karten gucken zu lassen. Das kennen wir doch, haben wir doch oft genug erlebt. – Keine Hoffnung, Bob!«
Er lachte, zertrat seine Zigarette auf dem Zementboden und sah die Eule strafend an, weil sie begeistert meckerte. Auch das blonde Mädchen lachte schrill, bog sich in den Hüften und jonglierte mit ihren Kugeln wieder hart am Rand der Katastrophe. Bob teilte diese Fröhlichkeit nicht. Er dachte weniger an das Aufsehen, das seine Entführung in der Öffentlichkeit auslösen würde, als vielmehr an die Möglichkeit, daß Jenny wirklich alles aufbieten würde, um die 100.000 Dollar zusammenzubringen. Daß man in Las Vegas das Kidnapping groß herausstellen würde, war sicher. Obwohl die Stadt an Gangster im Urlaub gewöhnt war und jede Nacht das gesamte Gesetzbuch überschritten wurde, würde die Entführung eines Eissalonbesitzers doch eine Lokalsensation sein, zumal wenn man ihn so hoch einschätzte. Und noch etwas kam Bob zum Bewußtsein: Wenn er zurückkehrte, würde er einen Tag lang der große Sohn der Stadt sein! Der Befreite, dem Tode Entronnene! Ein überlebendes Opfer! Das bedeutete: Fernseh-Interview, Zeitungsspalten, vielleicht sogar ein Filmangebot – auf jeden Fall das beste Reklameschild für seinen Eissalon. Man würde seine Bude stürmen, um Bob Brook, dem Befreiten, die Hand zu schütteln, ihm auf die Schulter klopfen und sich mit ihm fotografieren lassen, fürs Familienalbum zum Beispiel: Papi und Mami mit einem gekidnappten Burschen – Las Vegas bietet eben alles! Man konnte diese Publicity auch noch ausbauen, indem man einen Spezial-Eisbecher erfand. Preis einen Dollar, bei einem Materialaufwand von knapp 14 Cents. Name des kalten Wunders: Kidnapping. Das müßte ja ein Renner
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