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Der Heiratsspezialist

Der Heiratsspezialist

Titel: Der Heiratsspezialist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die Schultern. Die Ähnlichkeit mit Jenny war enorm, er hatte so etwas noch nicht gesehen.
    »I don't know …«, sagte er höflich.
    »Bist 'n Ami, was?« Das Mädchen lachte kurz und laut. Es klang wie ein Signal.
    »Yes. Isch bin Amerikaner«, sagte Bob auf Deutsch.
    »So'n kleiner Millionär …«
    »Millionär?« wiederholte Bob. Es sollte fragend klingen. Er war ja ein Mensch ohne Fehl und Arg, hatte keinerlei Erfahrung mit Mädchen dieses Gewerbes, sah in allen Menschen nur das Gute und wäre nie auf den Gedanken gekommen, daß ein einziges Wort Schicksal spielen könnte.
    Das Mädchen riß sich die Bluse auf, Bob starrte entgeistert auf das, was sich ihm entgegenwölbte, dann stieß das Mädchen einen klagenden Laut aus, wich vor ihm zurück und stammelte: »Hilfe, Hilfe!« Erst da begriff Bob den uralten Trick, von dem er viel gelesen und den er oft im Fernsehen oder Kino gesehen, aber noch nie selbst erlebt hatte. Ein Trick, der noch immer wirksam war, weil er den Gegner überrumpelte. Spätere Argumente kamen stets zu spät.
    Auch Bob sah keine Möglichkeit, sich zu rechtfertigen. Ein blonder Hüne kam aus der Toilettentür, schrie: »Hände weg, du Sau!« und hieb Bob sofort in die Magengrube. Bob knickte ein, genau in die zweite Faust hinein, die sein Kinn traf. Er taumelte gegen die Wand, ihm wurde übel. Er spürte den dritten Schlag gegen seine Schläfe, das Mädchen mit den weißen Kugeln unterm Kinn grinste ihn an, er sah auch noch einmal den blonden Riesen, der die Arme ausbreitete, um ihn aufzufangen … dann schaltete sich sein Gehirn ab.
    Juliane Hatzle wartete eine halbe Stunde auf Bob, betrachtete unruhig den Mann, der auf der Bühne für die weiblichen Besucher etwas tat, stand dann auf und ging zur rückwärtigen Bartheke, wo der Geschäftsführer lehnte, Mineralwasser trank und gelangweilt vor sich hinstierte.
    »Ich glaube, hier ist etwas passiert …«, sagte Juliane.
    Der Geschäftsführer hob den Kopf, musterte Juliane und lächelte verbindlich. »Sind Sie belästigt worden, gnädige Frau?« Er wiegte den Kopf hin und her. »Unsere Show ist anregend …«
    »Mein Begleiter ging auf die Toilette …«
    »Das ist besser, als wenn er's unter den Tisch macht …«
    »… vor einer halben Stunde! Er ist noch nicht zurück …«
    »Das kann normal sein. Vielleicht hat er Schwierigkeiten?«
    »Reden Sie nicht so saudumm daher!« Julianes Stimme bekam einen ehernen Klang. »Hier ist etwas passiert!«
    »Es ist noch nie vorgekommen, daß sich jemand selbst weggespült hat, gnädige Frau!« sagte der Geschäftsführer steif. »Aber es ist schon manchmal vorgekommen, daß sich jemand über den Weg zur Toilette aus dem Staub gemacht hat. Wir saßen dann da mit der Rechnung. Darf ich Sie bitten, an den Tisch zurückzugehen und auf die Rechnung zu warten. Ich lasse in der Toilette nachsehen.«
    Nach fünf Minuten wußte man es: Die Toilette war leer. Die Rechnung betrug 243 DM. Juliane bezahlte, aber sie verließ das Lokal nicht. Ihr Gesicht war hart geworden. Trotz Kosmetik und Höhensonne sah man jetzt ihre 51 Jahre. Der Geschäftsführer und zwei Kellner standen an ihrem Tisch und versuchten, ihr zu erklären, daß nicht jeder, der wie ein Kavalier aussieht, auch einer ist. So etwas habe man öfter erlebt.
    »Die Polizei!« sagte Juliane. »Ich will die Polizei!«
    »Machen Sie bloß keinen Trubel!« rief der Geschäftsführer. Das Wort Polizei ist auf St. Pauli so etwas wie eine persönliche Beleidigung, seit die ›Häuser‹ nach behördlicher Ansicht ›sauber‹ geworden sind und es nur in den Shows auf den Bühnen heiß hergeht. »Wenn Ihnen der Mann abhaut, was soll da die Polizei!«
    Juliane Hatzle lehnte sich zurück und blickte auf die Bühne, wo die Vorstellung weiterging – zwei Lesbierinnen verrenkten sich artistisch.
    »Was ist Ihnen lieber?« fragte sie scharf. »Sie rufen die Polizei – oder ich gehe und komme mit der halben Davidswache wieder? Hier in Ihrem Hause ist Bob Brook verschwunden. Ein angesehener amerikanischer Kaufmann, der es nicht nötig hat, die Zeche zu prellen!«
    Es ist noch keinem gelungen, fröhlich zu erwachen, wenn ihn zuvor eine auf sein Kinn gezielte Faust eingeschläfert hat. Eine Ausnahme ist vielleicht der Boxer, der nach einem K.o. mit dem erhabenen Gefühl in die Gegenwart zurückkehrt, sein Bankkonto um einige Nullen vor dem Komma aufgestockt zu haben … Bob Brook gehörte jedenfalls zu jenen Alltagsmenschen, denen der Schädel gewaltig brummt und

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