Der Heiratsspezialist
braucht man keine Zeitungswissenschaft zu studieren.« Bob entschloß sich, einen verrückten Cocktail zu bestellen, der sich ›Hawaii bei Nacht‹ nannte. »Ich wollte mit dieser Anzeige ausdrücken …«
»Sie bieten sich an!«
»Wie bitte?« Bob ließ die Barkarte fallen. Sandra nickte ihm unbefangen zu.
»So ist es doch! Sie bieten sich den Frauen an! Nur sehen Sie nicht aus wie eine männliche Prostituierte.«
»Erlauben Sie, Sandra.« Bob zog den Schlipsknoten herunter; ihm war, als hätte ihn jemand gewürgt. So hatte das noch niemand gesehen, und McDolland hatte bestimmt auch nicht an diese Möglichkeit gedacht. »Mir so etwas zu unterstellen!«
»Ich unterstelle gar nichts. Ihre Anzeige läßt jedoch diesen Schluß zu! Aber Sie sind gar nicht der Typ für solche Geschäfte.« Sie warf die rotblonden Haare aus dem Gesicht und lehnte sich weit zurück. Ihren Pullover und das, was er verdeckte, brachte diese Bewegung sehr vorteilhaft zur Geltung. Sie schien es genau zu wissen und beobachtete Bob scharf: Er zeigte äußerlich keine Reaktion, aber in ihm brodelte es.
»Nett von Ihnen, daß Sie wenigstens das erkennen«, sagte er und bestellte beim Barkellner zwei ›Hawaii bei Nacht‹. Sandra wartete, bis der Kellner gegangen war, und bemerkte dann:
»Das ist ein sehr süßer Cocktail! Sie haben ein Faible für Süßes?«
»Ist das auch wichtig?«
»Für Ihre Charakterbeurteilung schon. Ich nehme an, Sie lieben vor allem püppchenhafte Frauen, so die typische Amerikanerin à la Hollywood oder Las Vegas …«
Bob wunderte sich plötzlich – und konnte nichts dagegen tun … Er fand Sandra phänomenal. »Wie kommen Sie gerade auf Las Vegas?«
»Die Stadt ist zu einem Synonym geworden.«
»Aha!«
»Sie wissen nicht, was ein Synonym ist?«
»Nein! Aber wenn Sie es sagen, muß es etwas sehr Schönes sein.«
Sandra lachte, schüttelte wieder den Kopf und sagte mit einem Glucksen in der Stimme: »Sie sind eine Type, Bob! Ehrlich: Was soll diese Anzeige? Frauen anlocken! Wozu aber?«
»Zum Heiraten.«
»Nein!«
»Aber ja! Ich transferiere Frauen nach Amerika und verschaffe ihnen, indem ich sie heirate, den Daueraufenthalt, Arbeitserlaubnis und auch die Staatsbürgerschaft. Heiraten ist mein Geschäft. Ganz reell mit Vertrag und fest umrissenen Verpflichtungen. Sehen Sie, wenn Sie ständig in Amerika leben und arbeiten wollen, können Sie das nur, wenn man Sie nach langen eingehenden Prüfungen für gesundheitlich, charakterlich und politisch einwandfrei hält. Das ist eine Papierschlacht ohne Beispiel. Und Sie brauchen einen Bürgen. Das alles kann man wesentlich abkürzen, indem man einen Amerikaner heiratet, der dann für alles geradestehen muß. Für viele Frauen, die gern in den USA ein zweites Leben beginnen wollen, ist das Spießrutenlaufen durch die Behörden ein Alptraum.«
»Und da greift Bob Brook ein als liebender Ehemann.«
»Als Vertragspartner, Sandra! Von Liebe ist nie die Rede. Sie ist sogar durch einige Paragraphen im Vertrag ausgeklammert.«
»Toll! Kann ich so einen Vertrag mal sehen?«
»Nein!«
»Warum nicht?«
»Er paßt nicht zu Ihnen, Sandra.«
»Und wenn ich jetzt ganz geschäftlich sage: Mr. Brook, mich interessiert Ihr Angebot?!«
»50.000 Mark Grundgebühr.«
»Sie sind total übergeschnappt, Bob!«
»Sehen Sie. Sie sind doch die Falsche!«
»Welche Frau ist so dusselig, 50.000 Mark für eine Arbeitsgenehmigung zu zahlen, die sie auch so bekommen könnte?! Vielleicht müßte sie länger warten, aber sie spart 50.000 Mark, die sie drüben sehr gut gebrauchen könnte! Bob, ich glaube, Sie sind in Ihrem Beruf zum Scheitern verurteilt!«
»Es gibt Frauen genug, die diesen Weg wählen. Aber bisher habe ich versagt. Es gab immer Komplikationen mit den Frauen.«
»Viele?« Sandra meinte damit die Anzahl der Frauen, Bob bezog die Frage auf die Komplikationen.
»Es reicht!« sagte er. »Sie purzelten nur so dahin …«
»Das hätte ich Ihnen nie zugetraut.« Sandra musterte Bob, als sei er ein Pferd, dessen Muskeln man taxiert. »Sie sehen so brav aus! Ich bin übrigens siebenundzwanzig.«
»Ich schon fünfunddreißig. Beruf Pianist und Solo-Trompete. Verrückt, was? Ich glaube an mich und meine Begabung, bin aber leider der einzige, der daran glaubt. Vor sieben Jahren habe ich beim Cleveland-Orchester vorgespielt. Den ersten Satz des Trompetenkonzerts von Purcell. Es war eine Katastrophe. Der Chefdirigent, seinen berühmten Namen will ich nicht nennen, war in der
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