Der Heiratsspezialist
das Wenige, das sie am Körper trug, abzuwerfen, so kam er bei Sandra in dieser Woche über einen einzigen Kuß nicht hinaus. Es drohte ein ganz raffiniertes Spiel zu werden, ein Garkochen im eigenen Saft – aber Bob empfand es nicht so. Er träumte von der Stunde, in der er Sandra, und damit das Schönste, was die Natur an Weiblichkeit geschaffen hatte, in seinen Armen halten und für immer in Besitz nehmen konnte. Für immer? Bei diesem Gedanken kamen ihm Zweifel. War es überhaupt möglich, eine solche Frau zu halten? Er dachte an Las Vegas mit seinen vielfältigen Verlockungen, an die Millionäre und Stars, Filmproduzenten und TV-Bosse, die nur darauf warteten, daß eine Schönheit wie Sandra wie ein Komet am Himmel auftauchte – um sich dann auf sie zu stürzen wie Wölfe auf ein gutgläubiges Lamm.
Wir ziehen weg von Las Vegas, dachte Bob, wenn er sich qualvoll in solchen Zukunftsvisionen verlor. Irgendwohin in den einsamen Mittelwesten, in ein Prärienest, wo man über Meilen hinweg sehen kann, wenn jemand zu Besuch kommt. Aber würde Sandra mit einem solchen Pionierleben zufrieden sein? Würde sie ihm nicht mit dem ersten besten Pferd einfach davongaloppieren?
Sandra sprach mit Friedhelm. Es kam so, wie Bob es geahnt hatte: Friedhelm wollte unbedingt den Amerikaner, der ihm in die Quere gekommen war, kennenlernen. Aussprachen dieser Art mit einem Speerwerfer sind meistens unergiebig. Daher verschwieg Sandra auch Bobs Adresse und versuchte Friedhelm davon zu überzeugen, daß sie nie und nimmer zur Professorenfrau geeignet sei.
Friedhelm widersprach natürlich und nahm sich die Angelegenheit so zu Herzen, daß er sich zwei Tage lang vom Operationsteam beurlauben lassen mußte, weil seine zittrigen Hände für die Patienten eine akute Gefahr bedeuteten. Dann schlug er Sandra vor, sofort zu heiraten. Aber da war schon nichts mehr zu retten.
»Du bist ja blind geworden!« rief Friedhelm.
Sandra erwiderte: »Blinde haben das beste Gefühl.«
Dagegen war nun sogar medizinisch nichts einzuwenden. Friedhelm betrank sich, verfluchte die Amis, rief sogar Sandras Vater an, aber der wußte es bereits und sagte resignierend:
»Lieber Doktor, ich habe es mir abgewöhnt, mir Gedanken über meine Tochter zu machen. Sie will etwas – und sie tut es! Wenn sie die erste Frau auf dem Mond würde – ich würde mich nicht wundern. Vielleicht darf ich Ihnen später einmal gratulieren, daß Sie Sandra nicht geheiratet haben …«
Dies war der Stand der Dinge, als Bob bei der amerikanischen Botschaft anrief. Allen Brass hatte nicht zuviel versprochen: Konsul Nesswick war unterrichtet und sagte warnend:
»Unterstehen Sie sich, Bob! Ich lasse Sie im Interesse der Allgemeinheit festnehmen und psychiatrisch untersuchen! Wenn ich damals gewußt hätte, was ich heute weiß …«
»Ich liebe meine Braut!« Bobs Stimme bebte. »Clifford, Sie müssen mir helfen!«
»Ich kann Sie nicht daran hindern, zu heiraten. Nach einer bestimmten Wartezeit können Sie das ja bei jedem deutschen Standesamt. Aber wir werden alles daran setzen, um zu verhindern, daß eine Mrs. Brook ein Visum bekommt, und sei es auch nur ein Touristenvisum!«
»Das können Sie nicht tun, Clifford!«
»Das überlassen Sie ruhig mir. Wir können ein Visum ohne Angabe von Gründen verweigern. Aber wenn Sie den Grund wissen wollen: Wir betrachten eine neue Mrs. Brook als unerwünscht!«
»Das ist gegen unsere freiheitlichen Gesetze, Nesswick! Das ist außerhalb der Legalität!«
»Ihr Beruf als Heiratsspezialist ist das auch, Bob! Da sind wir also quitt!«
»Ich komme nach Godesberg.«
»Ich warne Sie, Bob! Sie sind US-Staatsbürger. Bei Betreten der Botschaft befinden Sie sich auf amerikanischem Boden! Das kann Ihr K.o. bedeuten!«
»Mich schüchtern Drohungen nicht ein!« rief Bob. »Ich kenne meine Rechte als US-Bürger genau! Meine Frau wird die alien registration card bekommen, sie ist gesund, politisch unbelastet, charakterlich fest …«
»Ausgeschlossen, wenn sie sich mit Ihnen einläßt! Bob, es gibt keine Lücke, durch die Sie schlüpfen können! Sie sind bei unseren Behörden jetzt bekannt …«
Bob legte wütend auf. Am Abend traf er sich mit Sandra, erzählte ihr, er müsse nach Bad Godesberg, um mit der Botschaft alles zu regeln, genoß noch einmal drei Stunden lang ihre Nähe, ihre Worte, ihre Hand, die die seine streichelte, ihre Lippen, die ihn küßten …
Mit gewaltiger Wut im Bauch fuhr er am Morgen per Intercity-Zug nach
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