Der Heiratsspezialist
Bonn.
Hans-Jakob Müllegan kam im Eilschritt aus seinen Privaträumen, als sein Assistent ihm meldete: »Der Amerikaner ist gerade ins Hotel gekommen und möchte ein Einzelzimmer ohne Bad. Bergseite. Das billigste, das wir haben …«
Müllegan ahnte Böses. Er überdachte schnell die Situation und stand vor einem Rätsel. Wenn Bob von dieser Juliane geschieden war, schon wieder in Deutschland lebte und an den Rhein kam, dann bedeutete das, daß eine dritte Frau zur Mrs. Brook gemacht werden sollte. Müllegan zog seine Jacke an und riß sich von den Vergrößerungen los, die er gerade aus dem Wasserbad genommen und an eine Schnur gehängt hatte.
»Bob!« rief er, als er Brook in der Halle sitzen sah. Sein Freund wirkte traurig und zerknirscht. Er stand auf, umarmte Hans-Jakob Müllegan, klopfte ihm auf den Rücken und sagte:
»Ich habe verdammte Sorgen.«
»Ist dir die Braut schon vor der Hochzeit durchgebrannt?« Es sollte ein kleiner Scherz sein, aber als Müllegan den traurigen Hundeblick Bobs sah, schaltete er um auf tiefes Mitgefühl. »Du bist allein? Wirklich?«
»Ja.«
»Natürlich bekommst du ein Zimmer zum Rhein mit Bad.«
»Zu teuer, Hans-Jakob. Ich muß sparen.«
»Reden wir nicht darüber, Bob.«
»Du bist ein echter Freund.« Bob setzte sich wieder. »Vielleicht der letzte, den ich habe. Alle anderen haben mich verraten!«
Hans-Jakob Müllegan wurde vorsichtig. Wenn die Freunde in Amerika das Handtuch geworfen hatten, dann mußte etwas Gravierendes vorgefallen sein. Es kam jetzt darauf an, sich nicht in Affären hineinreißen zu lassen, deren Dimensionen man nicht kannte.
»Was ist los?« fragte er.
»Ich will heiraten.«
»Das ist ja nichts Neues!«
»Doch. Dieses Mal schon. Ich liebe Sandra! Hans-Jakob, sie ist ein Wunder von einer Frau! Ohne sie bin ich am Ende! Aber keiner glaubt mir das! Alle sind gegen mich. Ich bin das Opfer einer Treibjagd …«
»Wer steht dahinter?«
»Alle! Von der Botschaft angefangen …«
Da haben wir's, dachte Müllegan. Irgend etwas muß drüben passiert sein, wenn man Bob Brook sogar hier in Deutschland ins Visier nimmt. Nun sitzt er hier, ein Häufchen Elend, und ich soll ihm helfen. Wie hilft man einem Freund, der verliebt ist?!
Die Situation war neu für Müllegan. Als Hotelier hatte er Erfahrung mit Paaren und solchen, die angaben, es zu sein, aber bisher war es noch nie vorgekommen, daß jemand sich in seine Hotelhalle setzte und klagte, man lasse ihn nicht heiraten. Verliebte balancieren immer am Rande des Wahnsinns, aber bei Bob war es wohl besonders schlimm.
»Raus mit der Sprache!« sagte Müllegan, ließ eine halbe Flasche Sekt kommen und lächelte Bob aufmunternd zu. Aber Hans-Jakobs rheinische Frohnatur blieb heute ohne Wirkung.
»Die Lage ist einfach«, sagte er. »Ich liebe Sandra. Ich heirate sie. Ob hier oder in München oder sonstwo, das spielt keine Rolle. Aber wenn sie dann mit mir, ihrem Ehemann, in die USA will, wird man ihr, der Mrs. Brook, das Visum verweigern! Ich müßte sie über Mexiko oder Kanada ins Land schmuggeln. Wir müßten illegal leben, bis die Sache eines Tages auffliegt. Was ist das für eine Ehe?«
»Und das ist alles?« fragte Müllegan erstaunt.
Bob stöhnte. »Was soll denn noch passieren?«
»Das ist doch alles kein Problem.« Hans-Jakob Müllegan nippte an seinem Glas. Eigentlich erteilt man solche Ratschläge nicht, aber ein guter Freund in Not … Bob hätte allein darauf kommen können, wenn er seine Nerven unter Kontrolle gehabt hätte. Es war doch alles ganz simpel. »Wer bekommt kein Visum? Mrs. Brook. Das ist auch gar nicht nötig. Wie heißt sie?«
»Sandra Meyer. Mit ey.«
»Als Sandra Meyer wird sie ein Visum bekommen, denn wer weiß denn, daß Sandra Meyer bald Mrs. Brook sein wird?! So kommt sie ohne Schwierigkeiten als Tourist nach Amerika, und dort heiratet ihr. Warum sollte man sie dann ausweisen? Wer weiß schon in Washington, was man in Las Vegas ausgeheckt hat? Wenn alles absolut klar ist, könnt ihr wieder in Las Vegas aufkreuzen. Einfacher geht es doch gar nicht, Bob.«
Brook starrte Hans-Jakob Müllegan entgeistert an. »Du bist ein Genie!« sagte er ergriffen und gab ihm einen Kuß. Hans-Jakob wurde rot wie eine betastete Jungfrau. »Danke! Das nenne ich Freundschaft!«
Am nächsten Morgen fuhr Bob wieder nach München zurück und schlief im Zug einen gewaltigen Rausch aus. Es war ein Abschied für immer gewesen – Bob und Müllegan wußten es. Der Heiratsspezialist würde nie
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