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Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Titel: Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Osten gefahren war. Zwischen der Sintflut an der Küste und dem trockenen Landesinneren gab es eine scharfe Demarkationslinie. Hinter ihm lagen der dicke schwarze Regen und die überschwemmten Abflüsse; doch wenn er nach vorn schaute, in das geschwollene blutunterlaufene Auge der über den Sierravorbergen aufgehenden Sonne, erkannte er, dass da immer noch alles fest unter der Pranke der endlosen Dürre litt.
    Er fuhr in einen Landstrich ausgetrockneter, unfruchtbarer Hügel, rund und fahl gelbgrau, mit verstreuten kugeligen grünen Wipfeln uralter Eichen, die wie Wachposten auf ihnen standen, und blauen Tälern, die von schimmernden Staubschatten erfüllt waren. Darüber breitete sich ein weiter unerbittlicher, nur hie und da von Schäfchenwolken gesprenkelter Himmel. Die merkwürdige Sintflut, die während der paar letzten Tage über die Gebiete um die Bucht und den restlichen Küstenstreifen niedergegangen war, würde keinen Vorteil für die Wasserversorgung in San Francisco bringen. Die hauptsächlichen Reservoirs lagen weit landeinwärts, hier in den Vorbergen und den Bergen selbst; und hier fiel kein Regen, und im Hochland lag kein Schneevorrat, der später genutzt werden könnte.
    Hier draußen war alles sehr ruhig. Die Umweltvergiftung durch die Industrie hatte die meisten der kleinen Vorortgemeinden im diesem Teil des Tals des Sacramento River erwürgt, und der Raubbau an den Wasservorräten hatte die dahinter gelegenen ländlichen Gemeinden ruiniert. Carpenter wusste, noch weiter östlich lagen die Geisterstädte der Mother Lode und dann, riesenhaft und erschreckend, die Bergwand der Sierra; und jenseits davon das dürre Ödland Nevada. Sobald er die Berge überquert hatte, würde er anderthalb Tage lang durch eine echte Wüste fahren.
    Und trotzdem, trotzdem …
    Es war schön hier, wenn man Einsamkeit und Dürre als schön empfinden konnte. Mit dem Sterben der Landstädte und Farmen war eine Art prähistorische Stille in das Sacramento Valley zurückgekehrt. So muss es vor Tausenden von Jahren hier ausgesehen haben, dachte Carpenter – abgesehen von dem Pompeji-Effekt, den die Grundstücksumrisse aus dem 19. und 20. Jahrhundert erweckten, die Trockenwälle der Grenzmarkierungen überall, eine Vielzahl kniehoher, sich überschneidender weißgrauer Linien, die durch verdorrtes Gras und Felder und Anhöhen schnitten wie verblasste Markierungen auf dem Land, die fast nicht mehr sichtbaren Spuren der Häuser, die da einst gestanden hatten. Doch sogar dies besaß einen gewissen altertümlichen Charme. Fußspuren der Vergangenheit, Hinweise auf eine verschwundene Welt. Und die Luft hier draußen, so still und klar, dass sie fast wie die eines verflossenen Jahrhunderts wirkte.
    Doch Carpenter ließ sich nicht täuschen. Diese Luft war beinahe ebenso tödlich wie die Luft überall sonst. Weit tödlicher sogar, weil die Giftstoffe niemals fortgeweht wurden aus dieser Zone unveränderlicher atmosphärischer Stagnation, wo sie sich einfach aufbauten und verblieben, und wenn sich jemand längere Zeit hier aufhielt, fraßen sie ihm glatt die Lungen aus der Brust. Wenn man sich die Mühe machen wollte, konnte man es exakt an den Bäumen dieser ländlichen Gegend ablesen. Die unnatürlichen Astansätze und Winkel, die spillerigen Zweige, die spärliche Belaubung mit gichtigen Blättern, allerlei genetische Deformationen, die durch hundert Jahre Ozondefizit hervorgerufen worden waren, die Anreicherung von Aluminium und Spuren von Selen im Boden und noch weitere aufregende Formen von Umweltverwüstung.
    Luft und Wasser und der Boden dieser unserer Erde sind zu einer lebensfeindlichen Umwelt verkommen, dachte Carpenter, zu einer Zone der Antifruchtbarkeit, pestbringend für alles, was mit ihr in Berührung kommt. Vielleicht entwickelte sich ja irgendwann eine neue mutierte nicht-lebendige Form und gedieh in dem neuen Medium, irgendein im Grunde totes Wesen, das in der Lage sein würde, seine Stoffwechselprozesse jenseits der Existenz fortzuführen, sich vermehrend und aus dem Grab heraus gebärend, ein Geschöpf, das zerfressende Giftgase atmen konnte und hochentwickelte Kohlenwasserstoffe durch seine unverwüstlichen Adern pumpte.
    Er saß entspannt hinter dem Steuer und ließ den Wagen allein arbeiten, der ihn höher und höher hinauftrug zu dem hochragenden Rückenkamm Kaliforniens.
    Stunden vergingen, und nun blieben auch die letzten Spuren menschlicher Zivilisation hinter ihm zurück. Er war jetzt mitten in den

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