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Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Titel: Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Vorbergen, wo die Häuser im allgemeinen aus Holz erbaut worden waren, und so gab es hier kaum noch irgendwelche Ruinen zu sehen. Das hatte das Feuer bewirkt; die natürlichen Serien von Waldbränden, die Jahr um Jahr in der Trockenzeit durch die unbewohnten Siedlungen gefegt waren, hatten die Spuren der Anwesenheit des Menschen fortgewischt.
    So friedlich alles. Eine leere Welt lag da vor ihm.
    Der totale Gegensatz zu dem hektischen dichtbevölkerten San Francisco und all den übrigen urbanen Albträumen, die sich die Küste entlang fast ununterbrochen erstreckten bis hinab zu dem Großen Belial selbst, dem Tausendköpfigen Tier: Los Angeles. Allein bei dem Gedanken an L. A. schauderte Carpenter. Dieser monströse Schandfleck in der Landschaft, dieses krebsartig wuchernde Schwarze Loch von unauslöschlicher Hässlichkeit, in dem sich ungezählte Millionen bedrückter Seelen in unaussprechlicher Hitze zusammendrängten, in einer Luft, die so dick und giftig war, dass man sie schneiden und aufstapeln konnte …
    Los Angeles, seine Geburtsstadt …
    Er erinnerte sich an die Erzählungen seines Großvaters aus dessen Jugend in einer noch nicht kaputtgemachten Welt – sentimentale Erinnerungen an das alte Los Angeles von damals, lange her, am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts vielleicht? Anfang des einundzwanzigsten? Ein verlorenes Paradies, hatte der alte Mann gesagt, ein Ort, an dem der Wind frisch und rein vom Meer her wehte und die Tage mild und angenehm waren. Überall Parks und üppige Gärten, geräumige Wohnhäuser, ein sternfunkelnder Himmel, Schnee auf den winterlichen Berggipfeln hinter Pasadena und San Gabriel. In seinen Träumen trieb es Carpenter sogar noch jetzt manchmal in dieses verschwundene Los Angeles: das unverdorbene wunderschöne Los Angeles der fernen Vergangenheit, in jenen unerreichbar vergangenen Spätneunzigern des zwanzigsten Jahrhunderts etwa, ehe sich der eiserne Himmel über alles gesenkt hatte. Er hoffte, dass das alles nicht nur eine romantisierende, senile Wunschvorstellung seines Großvaters gewesen sein möge, dass es damals wirklich so gewesen war. Er glaubte fest daran. Doch jetzt war das alles dahin und würde nie wieder zurückkehren.
    Weiter. Ostwärts.
    Über den sonnenverbrannten Himmelsdom zuckte ein Blitz, ein weißleuchtender Speerschaft quer durch die andere Helle. Ein dumpfes Donnergrollen in der Ferne. Er wusste, das hatte nichts zu bedeuten. Ein bloßes Räuspern von Zeus. Das Wetterleuchten entstand durch Temperaturunterschiede, und es folgte danach fast nie ein Regen. Höchstens kamen danach Brände, die sich weiter und weiter kahlscherend durch das Grasland fressen würden.
    Der Baumbestand war jetzt anders geworden. Statt der Eichen standen hier hochragende Nadelbäume und schlanke milchigweiße Bäume, die möglicherweise Espen waren. Niedrige verkrüppelte Dickichte von Chaparral – Manzanita und Greasewood hauptsächlich – bedeckten den Rand des alten Highways. Er sah keine anderen Fahrzeuge. Er war der letzte lebendige Mensch auf der Welt. An manchen Stellen, wo kürzlich die Flammen zugeschlagen hatten, erstreckten sich in alle Richtungen meilenweit über der versengten Erde die verkohlten Baumstümpfe.
    Feuer war gut. Feuer war etwas Reinigendes.
    Soll es doch überall alles verbrennen, betete Carpenter. Es soll die ganzen Sünden der Welt wegbrennen!
    Er dachte: Wie unbegreiflich absurd, dass die menschliche Rasse ihre allerschlimmsten nationalen Zwistigkeiten und ihre Religionskriege überlebt hatte, dass sie soviel blödsinnige, belastende Irrationalität hinter sich lassen und in eine Ära des wirklichen Friedens und der Zusammenarbeit, jedenfalls sozusagen, übergehen konnte. Und dann dies: überall Fäulnis, tropische Hitze und Luftverschmutzung und Untergang. Absurd, absurd, ganz absurd. Nick Rhodes in seinem Labor quält sich mit seinem Gewissen herum, während er gleichzeitig danach strebt, die menschliche Rasse in Wesen mit Kiemen und grünem Blut umzubauen. Und Kovalcik, unter der brutalen Sonne da draußen im Pazifik, die ihr Schiff mit Seeungeheuern für die Versorgung der hungernden Menschheit vollstopft. Der arme Paul Carpenter, der arme Trottel mit Scheiße im Kopf, ist dermaßen wild versessen, einen Eisberg in eine blöde undankbare Stadt zu schleppen, dass er das Wenige an menschlichem Anstand, das ihm je einprogrammiert worden war, vergessen kann und lässt kalt Menschen in Not …
    Nein! Denk nicht an das!
    Was du im Augenblick machst,

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