Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)
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»Entschuldige«, sagte Carpenter zu einer Frau, die am Tisch neben seinem saß. Seine Stimme klang keuchend, heiser, rau, gebrochen, wie die Stimme eines gerade aus den Folterkammern der Inquisition Entronnenen. »Könntest du mir bitte sagen, wie spät es ist?«
»Elf-dreißig«, sagte die Frau.
Himmel! Keine halbe Stunde mehr bis zu dem für die Abdankung vorgesehenen Zeitpunkt. Und nur zwei Stunden, bis die Bomben hochgehen würden.
Carpenter begriff, dass er nach dem Kampf mit Farkas für Stunden bewusstlos auf dem Boden gelegen haben musste.
Er suchte nach einem öffentlichen Kommunikator und fand einen links an seinem Tisch angeklemmt. Die Tastatur war winzig, seine Finger kamen ihm dick wie Baumstümpfe vor, und als er sich an den Anrufcode von Davidovs Hotel zu erinnern versuchte, bekam er fünfzigtausend verschiedene achtziffrige Nummern in einer Fünfzigtausendstelsekunde vor die Augen.
Ruhig. Nur ruhig! Er fädelte sich durch das Labyrinth der Nummern und fand schließlich die richtige und gab sie durch.
Niemand meldete sich.
Es kam auch keine Suchanzeige.
Carpenter drückte die ›Hilfe‹-Taste und befahl, Davidov in ganz Valparaiso Nuevo zu suchen. Wieso dies nicht automatisch erfolgte, wusste er nicht; doch eine Minute später kam der Apparat mit einer Fehlanzeige für den gewünschten Teilnehmer an.
Wo war Davidov?
Dann versuchte er es mit der Nummer des Hotelzimmers, das Jolanda und Enron teilten. Nichts.
Irgendwas war hier oberfaul. Wo waren die alle? Die Bomben tickten doch bereits.
Er holte tief Luft, dann tippte er, wie er hoffte, den richtigen Code für die Vermittlung und erklärte, dass er mit Oberst Olmo von der Guardia Civil sprechen wollte. Er wurde in die Operationszentrale der Guardia verbunden.
»Den Colonel Olmo, bitte.«
»Wer spricht da?«
»Mein Name ist Paul Carpenter. Ich gehöre zu …« Beinahe hätte er gesagt: zu Samurai Industries. Aber er bremste sich noch rechtzeitig. »Kyocera-Merck Limited. Ich bin Mitarbeiter von Victor Farkas. Sag ihm das. Victor Farkas! « Es fiel ihm enorm schwer, deutlich zu sprechen.
»Bitte warte einen Augenblick.«
Carpenter wartete. Er überlegte sich, wie viel er Olmo sagen sollte, ob er ihm gegenüber das ganze Komplott bloßlegen sollte. Es war nicht seine Aufgabe und Verantwortung, das Ultimatum zu übermitteln. Er war bei dem Geschäft nur ein kleiner unbedeutender Handlanger. Andererseits hatte aber er Farkas von der Bildfläche beseitigt, und das wusste außer ihm keiner. War er jetzt verpflichtet, Farkas' Rolle zu übernehmen?
Eine Stimme fragte: »Was ist der Grund für den Anruf, Mister Carpenter?«
Oh, du heiliger Jesus!
»Es ist streng vertraulich. Ich kann nur mit Colonel Olmo selbst sprechen.«
»Der Colonel ist im Augenblick nicht verfügbar. Vielleicht möchtest du mit dem diensthabenden Beamten sprechen. Mit Capitano Lopez Aguirre?«
»Nein! Olmo, nur Olmo, bitte. Es ist sehr dringend.«
»Der Capitan Lopez Aguirre wird gleich mit dir sprechen können.«
»Olmo«, sagte Carpenter noch einmal. Ihm war zum Heulen.
Dann eine andere Stimme, die scharf und gelangweilt sagte: »Lopez Aguirre. Worum geht es, bitte?«
Carpenter sah benommen auf den Kommunikatorstab in seiner Hand, als hätte der sich plötzlich in eine Schlange verwandelt.
»Ich muss versuchen, mit Colonel Olmo zu sprechen. Es geht um Leben und Tod.« Er musste sich anstrengen, seine Worte verständlich zu machen.
»Colonel Olmo ist nicht zu sprechen.«
»Das hat man mir bereits gesagt. Aber du musst mich trotzdem mit ihm verbinden. Ich rufe wegen Victor Farkas an.«
»Wer?«
»Farkas. Farkas. Kyocera Merck.«
»Mit wem spreche ich, bitte?«
Carpenter wollte erneut seinen Namen sagen. Aber dann sagte er: »Es spielt keine Rolle, wer ich bin.« Er kämpfte noch immer mit dem Hyperdex und stolperte beständig übe seine Zunge. »Wichtig ist, dass Mister Farkas Colonel Olmo etwas sehr Wichtiges zu sagen hat, und …«
»Wer bist du? Und was soll das Ganze? Du bist betrunken, ja? Denkst du, ich kann meine Zeit mit Saufköpfen vergeuden?«
Himmel! Lopez Aguirre klang wirklich sehr ärgerlich. Im nächsten Moment, erkannte Carpenter, würde der Mann wahrscheinlich jemand zur Plaza entsenden und ihn festnehmen und zum Verhör abführen lassen, als verdächtige Person, die öffentliches Ärgernis erregt. Ihn in irgendein Hinterzimmer sperren und sich irgendwann nach dem Mittagessen mit ihm befassen. Oder vielleicht auch irgendwann
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