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Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Titel: Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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ich dir jetzt das Schiff zeigen?«, fragte Hitchcock.
    »Da sind noch zwei weitere Besatzungsmitglieder, die ich sehen sollte, nicht?«
    »Yeah, Caskie und Rennett. Die sind rauf in die Stadt, kommen aber bestimmt bald zurück an Bord.«
    Rennett war für Wartung/Operations zuständig, Caskie war Communications-Operator. Alle beide waren Frauen. Carpenter war ein wenig ärgerlich darüber, dass sie nicht zugegen waren, um seiner offiziellen Kommandoübernahme gebührend beizuwohnen, aber andererseits, er hatte sich ja nicht zu einer bestimmten Zeit angekündigt. Die offizielle Begrüßung konnte durchaus warten, sagte er sich.
    Hitchcock zeigte ihm das Schiff. Zuerst die Sprinkler und die Greifermechanik an Deck, nebst einem Blick auf die gewaltigen Krampen selbst, die in einer Nische der Schiffswand eingezogen lagerten; dann unter Deck der starke Fusionsantrieb, der eine mittelgroße Insel um die halbe Welt schleppen konnte.
    »Und hier haben wir die wunderbaren Kabinen«, verkündete Hitchcock.
    Man hatte Carpenter gewarnt, keinen üppigen Luxus zu erwarten, doch damit hatte er denn doch nicht ganz gerechnet. Es war, als hätten die Schiffskonstrukteure vergessen, dass es eine menschliche Besatzung an Bord geben werde, und sozusagen im Nachhinein zwischen der ganzen Maschinentechnik ein wenig Platz für sie dazwischengezwängt. Die Quartiere und Nutzräume für Carpenter und die anderen waren in alle möglichen Eckchen und Winkel gequetscht. Seine eigene Kabine war etwa ein Barthaar weiter als die übrigen vier, doch auch sie war kaum größer als diese sarggroßen Schlafkapseln, wie man sie in Flughafenhotels zugemutet bekommt; und als Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten war für alle am Heck eine kleine kuppelförmige Blase eingerichtet und auf dem Vorschiff, wo Carpenter Hitchcock seine Ausrüstung prüfen gesehen hatte, war Platz für ein paar Schritte auf und ab.
    Leben in einer Sardinenbüchse, dachte er.
    Aber die Bezahlung war anständig, und es bestand Aussicht auf Beförderung für ihn. Und wenigstens würde er auf See frische Luft atmen können, mehr oder weniger, statt in der dicken grau-braun-grünen Brühe sein zu müssen, die über den bewohnbaren Teilen der nordamerikanischen Westküste fast ständig hing.
    »Hast du die Navigationsbestimmung mitgebracht, Cap'n?«, fragte Hitchcock, nachdem er alles besichtigt hatte, was es da zu sehen gab.
    Carpenter klopfte sich auf die Brust. »Hier.«
    »Hast du was dagegen, wenn ich mich mal dransetze und anfang, damit zu arbeiten?«
    Carpenter reichte Hitchcock den kleinen blauen Datenkubus, den sie ihm an diesem Morgen in der Instruktionszentrale gegeben hatten. Er wusste, es war eine Art Zeremonie für die offizielle Übernahme des Schiffskommandos, dass dem Navigationsoffizier die Software für die Fahrt übergeben wurde, die das Arbeitsprogramm ihrer Reise festlegte. Natürlich musste Hitchcock bereits jetzt schon wissen, wohin ungefähr sie fahren sollten, und wahrscheinlich hätte er sie auch einigermaßen sicher dorthin bringen können, wie das seit den Zeiten von Francis Drake zahllose Seefahrer getan hatten, die sich im Südpazifik zurechtfanden. Oder seit Captain Cook. Die hatten damals keine Computer gebraucht – und aller Wahrscheinlichkeit nach hatte auch Hitchcock keinen für seine Navigation nötig. Aber die Übergabe des Datenkubus an den Navigator war die moderne Variante der Lagebesprechung vor dem Mast am Abend vor dem Auslaufen, und Carpenter hatte nichts gegen das Ritual; es bereitete ihm sogar ein leises Vergnügen, nun sozusagen Erbe einer uralten Tradition zu sein.
    Kapitän eines Schiffs auf See. Odysseus, Vasco da Gama, Columbus, Magellan, Captain Kidd, Captain Cook, Captain Ahab.
    Hitchcock ließ ihn in seiner winzigen, engen Kabine allein. Er stopfte seine Sachen in die Laden, so gut es eben ging. Danach rief er über Funk Nick Rhodes in seinem Büro in den Santachiara-Labors an.
    »Du kannst dir nicht vorstellen, wie luxuriös mein Quartier ist«, sagte er zu Rhodes. »Ich komme mir vor wie J. P. Morgan auf seiner Yacht.«
    »Das freut mich enorm für dich«, sagte Rhodes ausdruckslos.
    Der Visor in Carpenters Kabinenapparat war nicht viel größer als eine Briefmarke, und das Bild war schlechte Schwarzweißqualität, wie aus den frühen Anfängen der elektronischen Entwicklung. Dennoch erkannte er, dass Rhodes verdrossen und mutlos dreinblickte.
    »Eigentlich ist das eine absolute, hundertprozentige Lüge«, sagte Carpenter.

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