Der Held und die Feuergöttin
und wie sie es geschafft hatte, sie hierherzubringen, ohne daß der Spalt überquert werden mußte.
Schwer atmend blieb die Feuergöttin im Höhleneingang stehen. Wind wehte frische Luft heran, doch Mythor ließ sich davon nicht täuschen. Ein Blick nach unten zeigte ihm, daß die Lava jetzt aus weit mehr Nebenkratern brach als zuvor. Noch stand die glühende Wolke über dem Gipfel.
»Und jetzt?« wollte Ramoa wissen. »Wo ist der Drachen?«
Schweigend nahm Mythor das Seil von der Schulter, verankerte es an der alten Stelle und kletterte daran herab. Als er sich auf etwa gleicher Höhe mit der Felsleiste wähnte, stieß er sich mit den Füßen ab und, gab sich den Schwung, den er brauchte, um die Leiste durch Pendelbewegungen zu erreichen. Im Berg rumorte und donnerte es. Lava spritzte viele Mannslängen unter den Menschen in die Höhe und regnete auf Dschungel und Ringsee herab. Es war Tag geworden. Noch während Mythor weiteren Schwung holte, blickte er nach unten und versuchte, den Drachenfelsen auszumachen. Waren die Tau überhaupt noch dort?
Nebel und Dämpfe schluckten alles Licht außer dem Glühen des Magmas. Mythor schwang ein letztesmal von der Leiste zurück, sah sie schnell auf sich zukommen und landete hart darauf. Er rutschte ein Stück ab, bis er mit der Linken einen Vorsprung umklammern konnte. Er richtete sich schwer atmend auf und zog das Seil straff.
»Ich halte es fest!« rief er zur Höhle hinauf. »Kommt jetzt!«
Oniak zauderte. Ramoa schrie ihm etwas zu, das im Zischen hochspritzender Lava unterging. Doch Oniak hing am Seil und rutschte mehr daran herunter, als daß er sich herabhangelte. Mythor nahm ihn in Empfang und half ihm, sich aufzurichten. Schon war Ramoa auf dem Weg.
Als auch sie sicher auf der Leiste stand, löste Mythor das Seil und holte es ein. Oniak führte die Feuergöttin zur Mulde mit dem Drachengestell. Mythor kam hinzu, als sie nach den Stricken für die Haltegestelle suchte. Grinsend warf er ihr das Seil zu.
»Versteh es nicht als einen Befehl, sagte er. »Aber wenn du dies schon einmal auseinanderknoten würdest…«
Sie bedachte ihn mit einem undeutbaren Blick und gab sich an die Arbeit. Mythor nahm die Halskette ab, riß sie auseinander und knotete sie um das armdicke Seil, an dem der Drachen von den Tau heraufgelassen worden war. Sie rutschte daran in die Tiefe.
Aber gab es dort noch jemanden, der die Nachricht empfangen konnte?
»Erzähle mir, was man im Dorf über mich spricht!« forderte Ramoa Mythor auf, während sie die Haltegestelle wieder anbrachte und er den Drachen in die Mitte der Mulde zog und zum Flug bereit machte.
Er tat es. Ramoa schien gefaßt und nickte einige Male.
»Viele werden sterben«, sagte sie schließlich. »Aber mit ihnen vergeht die Dämonenbrut. Mein Stamm wird einen neuen Anfang machen müssen. Und irgendwann werden die Frauen erkennen, daß die Opfer nicht umsonst waren.« Der Wind wurde heftiger. Mythors Haar flatterte um das Stirnband, als er die letzten Handgriffe tat und Ramoa zweifelnd ansah. Ohne Aufforderung begann sie von sich zu erzählen. Sie redete so schnell, daß Mythor den Eindruck gewann, sie wollte sich vor dem sicher geglaubten Tod noch eine Last von der Seele reden. So erfuhr er, daß sie schon als junges Mädchen als Feuergöttin erzogen wurde, zusammen mit einer Handvoll anderer Mädchen, und daß sie schließlich, als die alte Feuergöttin starb, als deren Nachfolgerin ausersehen wurde. Und während sie so sprach, glaubte Mythor eine gewisse Verbitterung aus ihren Worten herauszuhören, so, als sei irgend etwas in ihr abgetötet worden.
Nicht nur, daß er sich in einer Welt befand, die ihm völlig fremd war - nun hatte er auch noch zwei Menschen um sich, die ihm Rätsel um Rätsel aufgaben.
Die Haltegestelle hingen wieder fest unter dem Drachengestell. Mythor wartete, bis Ramoa und Oniak sich auf eines von ihnen gesetzt hatten, dann löste er die Verankerung; ohne zu wissen, ob unten auf dem Drachenfelsen Tau an der Winde standen, um sie zurückzuholen. Er sprang auf das freie Gestell und klammerte sich an den Seilen fest, als der Wind den Drachen vom Berg riß, aus der Mulde heraus, an den nadelscharfen Vorsprüngen vorbei und hoch in die Lüfte.
Mitten hinein in die Schatten, die sich aus den Nebeln schälten und zu purpurnen Alptraumgeschöpfen wurden, als sie sich mit ungezügelter Wildheit auf die drei Menschen stürzten, die wieder zum Spielball der Elemente geworden
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