Der Henker von Paris
Glückspilz. Er wird in die Geschichtsbücher eingehen als erster Mensch, der mit der Louisette hingerichtet wurde.«
Charles schnitt Nicolas Jacques Pelletier in der Conciergerie die schulterlangen Haare und entfernte den Hemdkragen, so dass der Nacken sichtbar und sauber war. Firmin und Barre halfen dem Verurteilten, sich ein blutrotes Hemd überzuziehen, und banden ihm anschliessend die Hände hinter den Rücken. Dann begleiteten sie ihn zum Karren, der für seine letzte Reise bereitstand. Pelletier hatte bei einem schweren Raubüberfall in der Rue Bourbon-Villeneuve achthundert Livre erbeutet. Dafür sollte er unter das Fallbeil.
Vor der Conciergerie warteten bereits Tausende von Schaulustigen. Der Karren kam kaum voran. Endlich verliess Lafayette, der Kommandant der Nationalgarde, den Innenhof des Gefängnisses, zwängte sich am Karren vorbei und übernahm unter dem fröhlichen Applaus der Menge die Führung. Die zähflüssige Fahrt zum Schafott dauerte über zwei Stunden. Die Menschen standen dichtgedrängt in den Strassen und Gassen, sie lehnten sich aus den Fenstern. Die Adligen sassen auf ihren Balkonen. Ein Flugblatt beschrieb den Ablauf der Hinrichtung wie eine Theateraufführung. Zwischen den Arkaden waren Würstchenbuden eingerichtet worden. Die umliegenden Restaurants hatten den Namen des Verurteilten auf der ersten Seite der Speisekarte gedruckt. Auf jedem Tisch stand eins von Tobias Schmidts Miniaturmodellen der Maschine, mit denen man Karotten und Spargel köpfen konnte. Als der Karren vorbeizog, wurde Pelletier verhöhnt und verspottet. Man hörte die unmöglichsten Wortschöpfungen. Bald würde er »in den Sack spucken«, das »Rasiermesser der Nation« würde ihn bestrafen. Ein stadtbekannter Clown namens Jacot schwang sich plötzlich auf eins von Charles’ Pferden, schnitt Grimassenund machte sich über den Verurteilten lustig. Während das Publikum ihm applaudierte, nahm Charles seine Peitsche und trieb den Clown wieder in die Menge zurück. War denn der Tod nicht Strafe genug? Pelletier wurde von verfaultem Gemüse getroffen und wollte unter der Sitzbank Schutz suchen, aber Charles hinderte ihn daran. So wollte es das Protokoll, das ihm Fouquier überreicht hatte.
Als sie auf die Place de Grève einbogen, sahen sie die beiden Balken des Blutgerüsts senkrecht in den Himmel ragen. Das Fallbeil blitzte für einen kurzen Augenblick in der Sonne. Henri hatte mit den Gehilfen ein ansehnliches Schafott errichtet und die Louisette darauf installiert. Lafayettes Reiter umringten das Schafott. Pelletier wurde die Holztreppe hinaufgeführt. Er schien erstaunt, als er von oben über die Place de Grève blickte. So viele Menschen waren gekommen, um ihn sterben zu sehen. Charles rief Pelletiers Namen laut über den Platz und zählte dessen persönliche Gegenstände auf, während Henri den Verurteilten zusammen mit Gros, Barre und Firmin auf das senkrechte Holzbrett band. Sie kippten es wie eine Schaukel in die Waagerechte und stiessen es nach vorn zwischen die beiden senkrechten Balken. Und schon sauste das Fallbeil herunter, und der abgetrennte Kopf plumpste wie ein abgesägter Ast in den Weidenkorb. Während das Blut noch wie eine Fontäne aus dem Rumpf spritzte, klatschten einige Beifall. Aber die meisten waren enttäuscht, besonders die Weiberfurien, die um das Schafott herumstanden, um die Todgeweihten mit vulgärem Spott zu verhöhnen. Es war alles so schnell gegangen, dass man den Ablauf gar nicht begriffen hatte. Keine minutenlange Agonie insiedendem Wasser, kein Würgen, wenn der Hals am Strick hing, kein Zischen, wenn Extremitäten verbrannt wurden, nichts. Henri nahm den bluttriefenden Kopf aus dem Korb und zeigte ihn der Menge. Vereinzelte Buhrufe waren zu hören. »Gebt uns unseren Galgen zurück«, schrien einige. Dann skandierten sie immer lauter: »Gebt uns unseren Galgen zurück.«
Noch immer floss das Blut aus dem Rumpf des Hingerichteten. Charles stand auf der obersten Stufe des Schafotts und beobachtete aufmerksam, ob sich in der Menge irgendeine Bewegung bildete, die der Maschine feindlich gesinnt war.
»Es mag brutal sein, aber es ist gerecht, und die Schnelligkeit der Abwicklung steht im Einklang mit dem humanitären Gedanken, der dahintersteckt.« Es war Gorsas, der mit ernster Miene das Gespräch suchte. »Was haben Sie empfunden, Bürger Sanson? Lassen Sie es unsere Leser wissen.« Mit diesen Worten drängte sich Gorsas an Charles heran.
»Ich habe ein Strafurteil
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