Der Henker von Paris
Doktor Louis und nahm die Treppe zu Fouquiers Büro. Er wollte nicht zu lange zusammen mit dem Henker gesehen werden.
Charles ging wieder seiner Arbeit nach. Wenn er nachts nicht schlafen konnte, schrieb er die Ereignisse in sein Tagebuch. Doch wohl war ihm nicht mehr dabei. Er überlegte, ob er die Tagebücher verbrennen sollte. Ihr Inhalt würde für ein Strafverfahren ausreichen. Aber er brauchte sie: Während die Bürger von Paris in Angst erstarrten und sich unsichtbar machten, griff Charles immer öfter zur Feder und schrieb heimlich nieder, was niemand mehr niederzuschreiben wagte. Er überschrieb die Aufzeichnungen mit Erinnerungen im Dienste der Französischen Revolution.
Eines Tages erwartete ihn Dan-Mali in der Pharmacie. Sie stand etwas verloren herum und schaute sich die Schalen mit den zerstampften Blüten und Wurzeln an. Als sie Charles sah, stürzte sie mit weit geöffneten Armen auf ihn zu, umarmte ihn und küsste ihn. Nach einer Weile sagtesie: »Ich habe Schmerzen.« Charles bat sie, sich hinzulegen. Die Wunde war verheilt. Doch plötzlich sah er blaue Verfärbungen an der Taille. Er zog ihr das Kleid aus. Sie hatte zahlreiche Blutergüsse, als wäre sie mit einem Dreschflegel verprügelt worden.
»Wer hat das getan?«, fragte Charles bebend vor Zorn.
»Ich bin gestürzt«, log Dan-Mali.
»Ich kann Wunden lesen, also lüg mich nicht an.«
»Pater Gerbillon. Aber es ist meine Schuld. Ich habe geweint, als er mir mitteilte, dass ich dich nie mehr sehen darf. Jetzt muss ich immer bei ihm bleiben, putzen, kochen, auf den Markt gehen. Und nachts muss ich in seinem Bett schlafen. Das ist aber nicht der Wille meines Königs in Siam. Der Pater zwingt mich, Dinge zu tun, die unrein sind.«
»Hilft dir denn keiner der anderen Patres?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, die saufen, als gäbe es kein Morgen mehr. Sie erwarten den Tag des Jüngsten Gerichts. Sie haben Angst vor Pater Gerbillon. Er hat zu viel Einfluss. Er verkehrt im Château der Madame Gourdan mit den mächtigen Männern.«
»Pater Gerbillon«, murmelte Charles wie zu sich selbst.
Dan-Mali nickte. »Was hast du vor?«
Noch am selben Tag besuchte Charles das Etablissement in der Rue des Deux-Portes.
»Besondere Wünsche, Monsieur?«, fragte eine Spanierin in gebrochenem Französisch.
»Pater Gerbillon?«, flüsterte Charles.
»Madame Gerbillon?«, fragte sie und führte ihn in einen unbekannten Saal. Die Menschen trugen hier keine dunklenBademäntel, sondern vornehme Kleidung für eine Soiree. Die Spanierin zeigte diskret auf eine Frau, die sich mit einer jungen, nackten Blonden unterhielt.
»Das ist eine Frau«, sagte Charles.
»Er trägt am liebsten Frauenkleider«, sagte Gorsas, der plötzlich neben Charles stand. »Keiner weiss, was in Siam mit dem Mathematiker des Königs geschehen ist. Sicher ist, dass er dort nicht seine Zeit verbracht hat, um den Sternenhimmel zu beobachten und neue Seekarten zu entwerfen. Er geniesst Schutz, weil er unsere Herren Revolutionäre mit siamesischen Mädchen versorgt.« Charles wandte sich ab. Gorsas folgte ihm. »Monsieur, Sie nehmen mir doch hoffentlich meinen kleinen Artikel über die Druckerei der Royalisten nicht übel. Die Leser mögen solche Geschichten.« Gorsas gab der Spanierin einen Wink zu verschwinden. »Überlassen Sie mir Ihren Gast.« Er nuckelte an seiner Pfeife. »Schauen Sie, dort drüben, Robespierre. Er kann es nicht ausstehen, dass Saint-Just dieselbe Frau begehrt. Wenn diese Rivalität nicht bald aufhört, wird die Revolution scheitern. Wegen einer Nutte.«
Charles musterte Gorsas skeptisch. Er hatte sich verändert. Seine Mimik drückte Spott und Verachtung aus.
»Es sollte Dinge geben, Monsieur de Paris, die für einen Mann wichtiger sind als eine junge Hure. Seine Tonpfeife zum Beispiel.« Er nahm die Pfeife aus dem Mund und hustete. »Eine Nutte kann man sich teilen, aber nicht eine Tonpfeife.«
Charles schenkte dem Journalisten keine allzu grosse Beachtung mehr. Er beobachtete die ungelenken Balzspiele von Robespierre und Saint-Just.
»Kennen Sie Saint-Just?«
Charles schüttelte den Kopf.
»Ich habe einige seiner Hetzreden in der Nationalversammlung gehört. Er kommt aus der tiefsten Provinz. Sein Ehrgeiz ist grenzenlos, sein Talent hingegen erbärmlich. Ein Versager wie sein vergötterter Robespierre, er gibt nichts her. Schauen Sie ihn genau an. Ist das ein richtiger Mann? Ein Kind mit einem alten Gesicht. Kommen Sie.« Gorsas führte Charles zu
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