Der Henker von Paris
sagen?«, fragte Charles beunruhigt.
»Ich hab’s Ihnen doch schon erklärt. Die Revolution hat die Kirche in Armut getrieben. Womit sollen wir also unser Klosterleben finanzieren?«
»Mit anständiger Arbeit«, gab Charles bissig zurück.
»Was ist schon anständige Arbeit? Ist Ihre Arbeit etwa anständig?«
»Beabsichtigen Sie, Dan-Mali in dieses Haus zu schicken?«
Pater Gerbillon lachte laut auf. »Würden Sie mir das zutrauen?« Er gluckste vergnügt. »Ich warne Sie. Die Liebe ist nur von kurzer Dauer, dann erwacht das Jagdfieber, und man sehnt sich nach der Illusion einer neuen Liebe. So hat uns Gott erschaffen. Übrigens: nach seinem Ebenbild. Können Sie sich vorstellen, wie der Kerl rumgebumst hat?«
Charles verzog keine Miene. »Ich habe Sie schon einmal gefragt, ob Dan-Mali bei mir arbeiten und wohnen kann.«
Der Pater schüttelte den Kopf und sagte mit grosser Bestimmtheit: »Dan-Mali beanspruche ich für mich allein. Sie gehört mir. Ich liebe ihre Küche.«
»Ich kann Ihnen Geld geben.«
Der Pater tat so, als hörte er das zum ersten Mal. »Endlich ein vernünftiger Vorschlag. Die Kirche braucht vielGeld, um ihre Hirten zu mästen. Ich werde darüber nachdenken. Wenn Sie mir eins versprechen …«
»Ja?« Am liebsten hätte Charles den Typ verprügelt.
»Denken Sie nicht schlecht über mich. Die Revolution hat Gott hinweggefegt. Jetzt können wir unsere Schweinereien ausleben, denn es gibt da oben keinen mehr, der Buch führt.« Er legte Charles den Arm auf die Schulter und flüsterte: »Ohne Gott gibt es keine Flüche mehr. Charles, Sie sind frei. Die Revolution hat Sie befreit.« Wieder lachte er lauthals und entfernte sich mit dem Mädchen.
10
Im Hof der Conciergerie thronte die Maschine. Ihre himmelwärts gerichteten senkrechten Balken warfen ihre schmalen Schatten auf die kleine Versammlung, die dem Spektakel beiwohnte. Man schrieb den 15. April 1792. Anwesend waren Doktor Louis und Doktor Guillotin, die Staatsanwälte Roederer und Fouquier sowie Charles mit seinen Gehilfen und seinem Sohn Henri. Das Gefängnispersonal hielt sich im Hintergrund. Etwas verspätet traf noch Gorsas ein, der von Fouquier mit einem wohlwollenden Nicken begrüsst wurde. Doch das Spektakel bestand vorerst aus einem schmutzigen Schaf, das wie von Sinnen um die Maschine herumrannte. Vergebens hatten Charles’ Gehilfen versucht, es einzufangen. Nun kamen ihnen einige Aufseher zu Hilfe. Gemeinsam gelang es ihnen, und sie banden es auf das Klappbrett. Dann brachten sie das Brett in die Waagerechte und schoben es unter das Fallbeil, das im gleichen Augenblick heruntersauste. Der Kopf des Schafes wurde mit einem sauberen Schnitt vom Rumpf getrennt. Das Blut spritzte über den Hof. Charles hatte nichts anderes getan, als den Metallschieber zu ziehen, der das Fallbeil arretierte. Alle waren sichtlich verblüfft angesichts der Schnelligkeit der Ausführung.
»Haben Sie Leichen?«, fragte Louis.
»Ja«, antwortete Charles und gab seinen Gehilfen ein Zeichen. Auf einem Schubkarren führten sie drei Leichen in den Hof, es waren Männer mit kräftigen Nacken. Der eine ein Selbstmörder, der andere ein Trinker und der Letzte einim Duell getöteter Musketier des Königs. »Sie wurden uns von Krankenhäusern zur Verfügung gestellt.«
Die ersten beiden Leichen wurden schnell und sauber enthauptet, bei der dritten wollte Doktor Louis, dass die Gehilfen das Fallbeil austauschten und die halbmondförmige Schneide anbrachten, die man vor der Korrektur durch Louis XVI in Betracht gezogen hatte. Der Versuch misslang, sehr zur Genugtuung von Doktor Louis, der sich darüber freute, seinem König mitteilen zu können, dass er recht behalten hatte.
»Wie nennen wir diese Maschine nun?«, fragte Gorsas aus heiterem Himmel. »Es wird in Zukunft viele neue Maschinen geben. Deshalb braucht sie einen eigenen Namen. Louisette?«
»Das kommt nicht in Frage«, sagte Louis empört, »ich bin Arzt. Wie wäre es mit Guillotine?«
»Ich bin ebenfalls Arzt«, wehrte Guillotin ab. Die beiden wandten sich Charles zu.
»Sansonette?« Gorsas lachte.
»Ich bin nur der Arm der Maschine«, entgegnete Charles.
Gorsas schüttelte den Kopf. »Louisette würde mir gefallen, das klingt so melodiös.«
»Wieso nicht?«, sagte Fouquier. »Es gibt schliesslich viele Menschen, die den Namen Louis tragen.« Er lachte. Dann wandte er sich an Charles: »Bürger Sanson, ich habe mit Ihnen zu reden. Aber zuerst bringen Sie Pelletier unters Messer. Der
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