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Der Henker von Paris

Der Henker von Paris

Titel: Der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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vollstreckt«, antwortete Charles, »an meinen Händen klebt kein Blut mehr. Ich beginne diese Maschine zu mögen.«
    »Die Maschine hat jetzt einen Namen«, sagte Gorsas, »Guillotine. Das hat der König entschieden, um seinen Hausarzt zu schützen. Doktor Guillotin hat protestiert, aber er ist zu schwach. Seine Nachkommen werden ihn wohl verfluchen, denn ihr Name bleibt jetzt auf ewig mit der Tötungsmaschine verbunden. Die Ironie des Schicksals erheitert mich immer wieder. Das ist der Stoff, aus denen ich meine Geschichten mache.« Gorsas hob kurz die Handzum Gruss. »Auf ein anderes Mal, Monsieur de Paris. Ich muss noch vor Redaktionsschluss meinen Bericht abliefern.«
    Charles schaute Gorsas nach. Dieser nuckelte mit gewichtiger Miene an seiner Pfeife und bahnte sich enerviert einen Weg durch die Menge, die er insgeheim verachtete. Dann sah Charles die kleine Frau, die an Gorsas vorbeischlich. Es war Dan-Mali. Sie hatte ihn wahrscheinlich die ganze Zeit über beobachtet. Dan-Mali blieb vor der Treppe zum Schafott stehen. Charles stieg zu ihr hinunter. Sie legte die Hände unter dem Kinn aneinander und senkte ehrfürchtig den Kopf.
    »Charles«, sagte sie und blickte ihn bewundernd an, »ich wusste nicht, dass du Menschen hinrichtest. Ich bedaure, dass ich dir nicht den nötigen Respekt entgegengebracht habe.« Charles musterte sie skeptisch. »Nur heilige Menschen dürfen in Siam Menschen hinrichten«, fuhr sie fort. »Sie werden eins mit dem Verurteilten und vereinen sich mit den Göttern.«
    »Warst du nicht schon mal bei einer Hinrichtung? Als Damiens gefoltert wurde?«
    »Nein«, sagte Dan-Mali, »du musst mich verwechselt haben.«
    Nun wurde es eng um das Schafott herum. Immer mehr Menschen drängten zum Weidenkorb, um den abgetrennten Kopf mit einem Schaudern, aber nicht ohne Faszination anzuschauen. Einige tunkten ihr Taschentuch in das Blut. Die Gehilfen luden die Leiche in den sargähnlichen Weidenkorb und legten den Kopf zwischen die Beine.
    »Ich muss zum Friedhof«, sagte Charles zu Dan-Mali.
    »Darf ich morgen zu dir kommen?«, fragte sie bittend.
    »Bleib bei mir. Du kannst bei mir wohnen. Wir haben Platz genug.« Er ergriff ihre Hand und hielt sie fest. In diesem Moment setzte Regen ein, und die Menge begann sich aufzulösen.
    Charles liess seine Gehilfen zurück, damit sie die Guillotine abbauen konnten, und bat Henri, neben dem Leichnam im Karren Platz zu nehmen. Dan-Mali setzte sich neben Charles, der die Zügel ergriff. Einige von Lafayettes Gardesoldaten bahnten den Weg zum nächsten Vorstadtfriedhof. In der Abenddämmerung erreichten sie das von Fouquier angeordnete Massengrab auf dem Friedhof Madeleine. »Einzelgräber sind aus Platzgründen nicht mehr möglich«, hatte er gesagt, »es werden zu viele folgen.«
    An der Friedhofsmauer sprang Henri vom Wagen und öffnete das Eisentor. Sie fuhren zu der frisch ausgehobenen Grube im Süden. Dort nahmen sie den kopflosen Leichnam und warfen ihn hinein. Sie schütteten eine Mischung aus Ammoniak, Kohlensäure und Wasser über die Leiche. Anschliessend bedeckten sie sie mit einer gehörigen Portion Löschkalk. Da trat plötzlich eine junge Frau zwischen den Grabsteinen hervor und rief: »Monsieur de Paris!« Charles hielt sie für eine Schaulustige, die ihr Taschentuch mit Blut besudeln oder abgetrennte Gliedmassen ergattern wollte. »Kann ich den Kopf haben?«
    »Nein«, antwortete Charles, »es ist mir verboten, Handel zu treiben.«
    »Ich bezahle nichts, dann ist es kein Handel. Ich brauche ihn nur für eine halbe Stunde.«
    »Wozu?«, fragte Charles ungeduldig.
    »Ich betreibe zusammen mit meinem Onkel Philippe Curtius das Wachsfigurenkabinett im Palais Royal. Ich will den Kopf nachmodellieren, der als Erster unter das Fallbeil kam.«
    »Fragen Sie die Staatsanwälte Fouquier oder Roederer, von mir kriegen Sie keine Köpfe«, sagte Charles, packte den losen Kopf am Haar und warf ihn in die Grube.
    »Ich werde meine Köpfe bekommen«, sagte sie trotzig.
    »Sicher, und mehr, als Ihnen lieb ist.«
    »Wie lange soll das noch dauern?«, fragte Marie-Anne wütend, als sie, ohne anzuklopfen, die Pharmacie betrat.
    »Sie bleibt jetzt hier. Wir haben ja darüber gesprochen«, sagte Charles. »Sie wird mir in der Pharmacie helfen und kochen.«
    »Was wird sie denn kochen?«, höhnte Marie-Anne. »Heuschrecken, die Speiseröhren von Hühnern und komisches Zeug, das dir die Zunge verbrennt?«
    »In Siam essen sie auch Hunde.«
    Marie-Anne lief rot an.

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