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Der Henker von Paris

Der Henker von Paris

Titel: Der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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Saint-Just und Robespierre.
    »Was macht die Schriftstellerei?«, fragte Gorsas und grinste Saint-Just offen ins Gesicht. »Sie könnten doch ein Dekret in Versform verabschieden, das die Pariser Verlage zwingt, Ihre Gedichte zu publizieren.«
    Saint-Just warf Gorsas einen abschätzigen Blick zu. »Nimm dich in Acht, Bürger Gorsas. Auch wenn du kein Royalist bist, geniesst du deswegen noch lange keine Narrenfreiheit.«
    »Oh, sind unsere Revolutionäre jetzt so unantastbar, wie es einst unsere Könige waren?« Gorsas griff in seine Tasche und nahm ein Dokument hervor. Er legte es vor Saint-Just auf den Tisch. »Olympe de Gouges hat es geschrieben. Gestützt auf die Menschenrechte, hat sie ein Pamphlet verfasst mit dem Titel Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin und verteilt es jetzt in den Strassen von Paris.«
    Saint-Just las einige Zeilen und murmelte: »›Die Frau wird frei geboren und ist dem Mann in allen Rechten gleich.‹ Da muss sie etwas missverstanden haben.«
    Robespierre nahm ihm das Pamphlet aus der Hand und zerriss es.
    Gorsas lachte. »Ich fürchte, das wird nicht reichen.«
    »Kommen Sie bloss nicht auf die Idee, das zu drucken, sonst schicke ich Sie …«
    »Wo bleibt da die Pressefreiheit, Bürger Robespierre?«
    »Man kann die Pressefreiheit auch missbrauchen, um das Volk aufzuwiegeln, Bürger Gorsas.« Robespierre fixierte ihn mit strengem Blick.
    »Und welche Rechte haben die Neger in den französischen Kolonien? Gelten die Menschenrechte auch für sie?«
    »Das Gespräch ist beendet, Gorsas. Eines Tages wird Ihnen noch die Spucke wegbleiben.«
    »Dann werde ich wohl in den Sack spucken«, meinte Gorsas grinsend.
    »Gorsas, das Problem ist: Plötzlich wollen alle regieren, und keiner will mehr Bürger sein«, seufzte Saint-Just.
    Ein Vorhang wurde beiseitegeschoben, und eine imperiale Erscheinung betrat den Saal. Es war Danton, der grosse Polterer mit dem breiten Pockennarbengesicht und den wulstigen Lippen. Er gab seiner Begleiterin einen Klaps auf den Hintern und ging auf Saint-Just zu. »Der Lohn eines siegreichen Revolutionärs muss ein Luxusleben sein, findest du nicht auch?«
    Saint-Just winkte ab. Robespierre griff blitzschnell nach einem schwarzhaarigen Mädchen mit Pagenschnitt und erhob sich. Er nahm sie bei der Hand und führte sie in eins der Séparées.
    »Die Schöne hat sich für die Macht entschieden«, sagte Gorsas zu Saint-Just, »nicht für die Jugend, nicht für das Geld.«
    Saint-Just erhob sich ebenfalls und folgte Robespierre. Danton wandte sich ab und ging zur Bar.
    »Dieser Saint-Just. Er ist ein Narzisst, der sich unbewusst an der Monarchie rächen will, weil sie ihm trotz aller Bemühungen die Türen von Versailles verschlossen hielt. Das ist meine Theorie, Monsieur de Paris.«
    »Was wissen Sie über den Mathematiker des Königs?«, fragte Charles diskret.
    »In Siam haben sie einen Transvestiten aus ihm gemacht. Es hat ihm offenbar gefallen, wie die Menschen dort bei Zeremonien herumlaufen. Dann ist er mit zwölf siamesischen Austauschschülern und -schülerinnen nach Paris zurückgekehrt, und eine dieser kleinen Siamesinnen scheint ihm so gut gefallen zu haben, dass er sie gleich für sich beansprucht hat. Das ist wie mit unseren Revolutionären. Was sie beschliessen, gilt nur für die andern. Können Sie sich das vorstellen?«
    »Wenn Sie Strafurteile vollstrecken, können Sie sich alles vorstellen. Ich habe damals Damiens hingerichtet …«
    »Ich erinnere mich sehr wohl, mein Gedächtnis ist mein Kapital«, sagte Gorsas, »nichts entgeht mir, und dieses falsche Weibsbild muss sich in Acht nehmen. Er wird als Nächster auf dem Schafott enden.« Er ging zur Bar.
    Charles beobachtete, wie Pater Gerbillon mit einem blutjungen Mädchen kokettierte. Er spürte einen immensen Hass in sich aufsteigen und wandte sich ab. Und einmal mehr schockierte ihn die neue Willkür, die sich in Paris breitmachte. Die Revolutionäre hatten den Thron der Könige bestiegen. Im Ausland sprach man schon von den Armeen Robespierres.
    »Charles!«, rief jemand. Er drehte sich um. Es war Pater Gerbillon mit dem Mädchen. »Welch eine Überraschung,ich dachte, Sie mögen eher siamesische Prinzessinnen. Haben Sie Geduld. Eine Schiffsladung ist unterwegs.« Der Pater lachte. Er hatte nicht die geringsten Hemmungen. Er war sich sicher, dass er den Schutz der Revolutionäre genoss, und ein Henker war zu unbedeutend, als dass man sich vor ihm zu genieren brauchte.
    »Was wollen Sie damit

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