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Der Henker von Paris

Der Henker von Paris

Titel: Der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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berühmte Piano, das die Effekte von Bratsche, Cello und Geige vereint. Ich bin daran, eine Methode zu erfinden, um Gemüse und Obst zu konservieren, und verderbe mir im Selbstversuch jeden Tag den Magen. Und jetzt stelle ich Spielzeug her. Sagen Sie mir, gibt es irgendetwas Beschämenderes? Das ist so, als würden Sie einem erfolgreichen General ein Schaukelpferd geben.«
    Charles half ihm auf die Beine. »Roederers Cousin verlangte 5660 Livre, Sie aber nur dreihundertvierzig …«
    »Und vierundzwanzig für den Leinensack. Ein Weidenkorb wäre noch billiger.« Schmidt schien das Gleichgewicht zu verlieren, fing sich wieder auf und torkelte durch die Halle. »Ich werde alles niederbrennen«, schrie er, »alles!«
    »Das hat Zeit bis morgen«, sagte Charles. »Zuerst bauen Sie die Guillotinen, zum Stückpreis von neunhundertsechzigLivre. Das ist ein Befehl von Fouquier. Roederer hat eingewilligt.«
    Schmidt stürzte sich auf Charles und umarmte ihn überschwänglich. »Dreiundachtzig Guillotinen, das macht insgesamt, warten Sie, knapp achtzigtausend Livre! Monsieur Sanson, ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet.«
    »Mir wäre wichtig, immer noch die Zeit zu finden, mein Klavier zu stimmen und Gabriels Beinschienen anzupassen. Er stürzt in letzter Zeit wieder öfter«, sagte Charles.
    »Versprochen«, sagte Schmidt und nickte mit ernster Miene. Dann begannen seine Augen zu funkeln, und er schubste Charles zu einer Werkbank, wo zahlreiche offene Konserven herumstanden. »Ich versuche zurzeit, die Dosen mit Blei zu verschliessen. Blei soll giftig sein. Die alten Römer sind bereits daran gestorben, weil ihre Wasserleitungen aus Blei waren. Aber ich verwende nur wenig Blei. Es kommt kaum mit der Nahrung in Kontakt. Wenn mir das gelingt, werden die Menschen ganze Strassenzüge nach mir benennen.« Schmidt liess sich erneut auf seine Couch fallen und griff blind nach der angebrochenen Weinflasche, die auf dem Boden stand. Er leerte sie und liess sie dann auf die unebenen Holzbohlen kollern.
    »Schön und gut, aber fangen Sie jetzt gleich mit den Guillotinen an«, drängte Charles.
    Als er nach Hause kam, war Dan-Mali nicht mehr da.
    In der Nacht auf den 10. August 1792 läuteten in ganz Paris die Sturmglocken. Es musste nach Mitternacht sein, Charles dachte an einen Grossbrand und stand auf. Er trat mit Henri auf die Strasse hinaus. Von überall her strömten die Menschenaus ihren Häusern. Die meisten waren bewaffnet. Die Menschenmassen bewegten sich in Richtung Tuilerien. Einige Wochen zuvor hatten sie es bereits einmal getan, waren in den Palast eingedrungen, wo der König und seine Familie festgesetzt waren, hatten Louis XVI angefasst und zum Anstossen auf ihr Wohl mit einem Glas Wein gezwungen. Doch diesmal ging es um mehr. Es gab das Gerücht, dass preussische und österreichische Truppen die Grenze nach Frankreich überschritten hatten und nun den König retten wollten. Die benachbarten Monarchien fürchteten einen revolutionären Flächenbrand. Was sich in Paris abspielte, war eine zweite Revolution. Die radikalen Sansculotten hatten eine eigene Stadtverwaltung nominiert und waren damit zur Gegenregierung der gesetzgebenden demokratischen Nationalversammlung geworden. Die zehntausend Sansculotten, die da marschierten, waren zu allen Taten bereit, um ihren König ein für allemal loszuwerden. Als die Tuilerien in Sichtweite waren, skandierte die Menge: »Tod dem König!« Sie marschierte wie ein Mann auf die rund tausend Schweizergardisten zu, die den König beschützten. Die zweitausend Nationalgardisten, die im Namen der Nationalversammlung den König bewachten, flohen beim Anblick der riesigen Menschenmenge sofort und schlossen sich den wütenden Sansculotten an. Ein grosser Teil der Schweizergarde fiel dem zornigen Volk zum Opfer. Sie wurden erschossen oder so lange durch die Strassen gejagt, bis sie erschöpft zusammenbrachen, und dann mit Macheten wie Hühner geköpft. Es gab keine Ordnungsmacht mehr. Niemand konnte die Menge im Zaum halten. Die Pariser Unterwelt erwachte zu neuem Leben. Sie strömte ins Freie,beglich offene Rechnungen, tobte sich aus, kastrierte sterbende Gardisten und warf die Geschlechtsteile durch die Strassen. Die Menschen hatten keine wirklichen politischen Ziele mehr. Sie nutzten das Chaos, den rechtsfreien Raum der Strasse, um zu plündern und die verhassten Reichen abzuschlachten. Es war ein blutiges Volksfest, in dem jeder jeden öffentlich töten konnte, ohne dafür bestraft zu

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