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Der Henker von Paris

Der Henker von Paris

Titel: Der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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begreifen würden. Einige Menschen behaupten, Geld mache nicht glücklich. Das konnte er nicht bestätigen. Unglücklich machte es bestimmt nicht.Geld bedeutete Freiheit und Unabhängigkeit. Und war es nicht ein grosses Glück, wenn man einen Arzt aufsuchen konnte? Charles gewann eine gewisse Ruhe. Oder war es schon Übermut? Er gab bei einem Schneider in der Rue de la Reine einen eleganten Anzug aus hellem Tuch in Auftrag. Fortan flanierte er wie ein stolzer Pfau durch die Parkanlagen von Paris und genoss die schmachtenden Blicke der jungen Damen und die Bewunderung der einfachen Leute. Manchmal, wenn er allein zu Hause in der Pharmacie sass, schämte er sich für seinen Wandel. Es fiel ihm schwer, sein Verhalten zu verstehen, geschweige denn zu akzeptieren. Aber zu sehr hatte er darunter gelitten, dass man ihn und seine Familie all die Jahre derart geschnitten hatte. Dass er das Amt des Henkers in feinem Tuch ausüben wollte, war ein Akt der Rache. Er war Monsieur de Paris und trug die gleichen teuren Kleider wie die Leute, die ihn verachteten. Er war nicht bereit, wie sein Vater das Amt in aller Stille auszuführen und sich ansonsten unsichtbar zu machen. Die Stadt Paris sollte ihn sehen. Er war ihr Henker und tötete für sie. Und zu Hause wartete eine frisch gedruckte Encyclopédie auf ihn. Wer in Paris konnte sich schon Diderots Encyclopédie leisten?
    Charles machte oft Spaziergänge im Jardin du Palais Royal und lernte mit den Jahren die geheime Sprache der Frauen. Eines Tages fiel ihm im Café eine Dame aus adligem Hause auf, die mit ihrem Fächer spielte und immer wieder zu ihm herüberblickte. Sie war nicht mehr ganz jung. Er verstand die kokette Sprache des Fächers durchaus und folgte der Einladung, sich an ihren Tisch zu setzen. Sie plaudertenvergnüglich über Diderots Encyclopédie . Damit demonstrierte man nicht nur, dass man lesen konnte, sondern auch, dass man Geld hatte und eine gewisse Bildung. Diskret liess man Worte und Stichworte fallen, die mehr über den eigenen Stand verrieten, erwähnte beiläufig einen Jagdausflug, eine Theateraufführung oder ein Diner mit einflussreichen Persönlichkeiten. Die Dame war eine Marquise, das liess sie Charles sehr rasch wissen. Er entgegnete lediglich, er sei Beamter der Justizbehörden. Dann kam sie rasch zur Sache und fragte, ob ihn eine Frau zum Abendessen erwarte. Als er verneinte, schien sie erleichtert und bat, sie doch nach Hause zu begleiten. Die Stühle in diesem Café würden ihr Rückenschmerzen verursachen. Und lächelnd fügte sie hinzu, sie müsse sich etwas hinlegen. Sie nahmen eine Kutsche und fuhren zu ihrem Stadtpalast. Sie sagte der Dienerschaft, sie wolle nicht gestört werden. Dann durchquerten sie den üppig ausgestatteten Salon und betraten das Schlafzimmer.
    »Verstehen Sie etwas von Massage?«
    »Ja«, antwortete Charles, »ich bin mit der menschlichen Muskulatur vertraut. Soll ich Sie massieren, Madame?«
    »Würden Sie das tun?«, fragte sie mit schmerzverzerrtem Gesicht.
    »Natürlich«, sagte Charles schmunzelnd, »ich kann es nicht ertragen, wenn schöne Frauen leiden.«
    Nun musste auch die Marquise schmunzeln. »Worauf warten Sie, Monsieur?«, seufzte sie und legte sich aufs Bett. »Ist es besser, wenn ich das Kleid ausziehe?«
    »Viel besser«, sagte Charles und beugte sich über sie.
    Sie küsste ihn, nur ganz kurz, und benässte mit ihrer Zunge seine Lippen. Sie fuhr sich mit der Hand zwischendie Schenkel und flüsterte: »Sie quälen mich, Monsieur, ich dachte, Sie wollen mein Leid lindern.« Dann griff sie Charles in den Schritt und sagte mit energischer Stimme: »Ziehen Sie endlich Ihre Hose aus, Monsieur. So wird das nichts.«
    Charles zog sich aus, während sie ihn dabei beobachtete. »Ich mag Männer wie Sie. Jeder Bildhauer würde sich freuen, Sie als Modell zu haben. Was hat sich der liebe Gott wohl dabei gedacht, als er Sie erschaffen hat?«
    »Er hat an Sie gedacht, Madame«, scherzte Charles.
    »Sie meinen, er wollte uns Frauen verrückt machen? Oder sind Sie der Apfel im Garten Eden? Bringe ich Sie in Verlegenheit?« Sie drehte sich abrupt auf den Bauch. Charles begann Nacken und Schulterblätter zu massieren.
    »Ich mag’s von hinten, Monsieur, wie unsere Vorfahren vor zehntausend Jahren. Und tun Sie es heftig, als würden Sie ein Verbrechen begehen oder eine kleine Schlampe bespringen. Und wenn Sie mich dabei noch lauthals beschimpfen, könnten Sie mein zukünftiger Liebhaber werden.«
    Als Charles die

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