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Der Henker von Paris

Der Henker von Paris

Titel: Der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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Taverne zum Goldenen Fass verkehre ein Anwalt. Der sitze jeden Morgen am hintersten Tisch und trinke Kaffee. Man könne sich einfach zu ihm setzen und sein Anliegen vorbringen.
    Am anderen Morgen betrat Charles die Taverne.
    »Setzen Sie sich, junger Mann, womit kann ich Ihnen helfen?« Der Mann am hintersten Tisch war in mittlerem Alter. Es musste schon lange her sein, seit er das letzte Mal ein Bad genossen hatte. Er schlürfte seinen dunklen Kaffee und liess dabei Charles nicht aus den Augen. Seine Wangen war tief eingefallen, die Haut faltig und grau. Und der Geruch, der aus seinem Mund entwich, war übel und liess vermuten, dass die Gärungsprozesse in seinem Magen gestört waren.
    »Ich suche einen Anwalt«, begann Charles und setzte sich auf die abgewetzte Bank.
    »Jaja, das nehme ich an. Also hören Sie mir zu, ich berechne für jede angebrochene halbe Stunde vierzig Sou. DerKaffee geht auf Ihre Kosten. Können Sie sich das leisten? Haben Sie Arbeit?«
    Charles nickte.
    »Welche Art Arbeit?«
    »Ich bin der Henker von Paris«, sagte Charles ohne Umschweife.
    »Nicht weitersprechen«, sagte der Anwalt, »bis hier ist das Gespräch kostenlos. Stehen Sie auf und gehen Sie. Wenn sich herumspricht, dass ich den Henker von Paris verteidige, bin ich meine Kundschaft los.«
    »Können Sie mir jemanden empfehlen?«
    »Selbst eine Empfehlung kann mich ruinieren. Was glauben Sie eigentlich, was die Kollegen von mir halten, wenn ich sie dem Henker empfehle? Zum Henker mit Ihnen.«
    Charles erhob sich und begab sich zur Tür.
    »Versuchen Sie es im Château der Madame Gourdan«, rief der Anwalt ihm nach.
    Das besagte Château befand sich in der Rue des Deux-Portes. Vermögende Unternehmer trafen sich dort mit einflussreichen Politikern, Anwälte, Journalisten, Adlige, Künstler und Geistliche zählten zum umfangreichen Kundenstamm, und es gab an diesem Ort nicht die geringsten Anzeichen dafür, dass sich das Volk in Royalisten und Republikaner aufgeteilt hatte. Alle wollten das Gleiche, nämlich das eine. Die Bordelle der Madame Gourdan erstreckten sich über mehrere Häuser. Kein Etablissement auf der Welt war grösser und luxuriöser. Charles besuchte das Hauptbordell, in dessen Vorhalle eine Riesenauswahl an kunstvoll geschnitzten Lustspielzeugen präsentiert wurde. Madame Gourdanführte den weltgrössten Versand sogenannter Godemichés. Zu ihren treusten Kundinnen gehörten die Nonnen und Äbtissinnen der Klöster Europas. Bijoux religieux war der Code für dieses Accessoire.
    Marie-Luce, ein sehr leichtbekleidetes Mädchen, führte Charles in einen kleinen Salon, dessen Wände mit erotischen Gobelins geschmückt waren. Die Teppiche waren schwer und dämpften jedes Geräusch. Hier thronte die einflussreichste Bordellbesitzerin Frankreichs. »Monsieur«, sagte sie, »es freut mich, dass Sie uns mit Ihrem Besuch beehren. Wir werden alles tun, um Ihre Wünsche zu befriedigen. Marie-Luce wird Ihnen gleich die Mädchen vorstellen. Und unsere Preise. Wir führen auch Ausgefallenes im Angebot, beispielsweise die satanischen Kammern.« Sie lächelte. »Unser Haus hat einige Regeln: Dazu zählt vor allem Diskretion. Sie werden in den Salons bekannte Persönlichkeiten treffen. Sie bewahren Stillschweigen, so wie auch die anderen Gäste Stillschweigen bewahren. Sie verletzen unsere Mädchen nicht. Anal und Peitschen sind nur mit deren Einverständnis und gegen Aufpreis erlaubt.«
    Marie-Luce führte Charles in einen grossen, kreisrunden Saal, der von einer hohen gläsernen Kuppel überdeckt war, durch die man den Sternenhimmel sehen konnte. Im Saal waren kleine Tische mit bequemen roten Sofas kreisförmig angeordnet. Die Tische hatten einen gebührenden Abstand voneinander, so dass man ungestört vertrauliche Gespräche führen konnte. Die Gäste fühlten sich wie zu Hause. Einige trugen seidene Morgenmäntel, andere waren in Strassenkleidung und schienen nur hergekommen zu sein, um Pfeifezu rauchen, Gespräche zu führen und halbnackte Mädchen zu sehen. Die jungen Frauen standen verführerisch entlang eines mit schwarzem Stoff überzogenen Tresens und suchten mit eindeutigen Blicken den Kontakt zu den Gästen. Charles zeigte auf eine Frau in blauer Unterwäsche und gleichfarbenem durchsichtigem Umhang.
    »Geniessen Sie Ihren Aufenthalt, Monsieur«, sagte Marie-Luce und übergab ihn der Frau in Blau. Diese führte ihn hinter den Tresen, wo einer Wand entlang zahlreiche schwere Vorhangstoffe in roter Farbe die Eingänge zu den

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