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Der Henker von Paris

Der Henker von Paris

Titel: Der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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der Kleider, die man den Gehängten oder Geköpften abgenommen hatte, und erledigte die Korrespondenz mit den Justizbehörden.
    Charles hatte Glück gehabt mit seinen Gehilfen, war es doch in diesen Tagen schwierig, anständige Leute zu finden, denen man auch vertrauen konnte. Dennoch war, vielleicht mit Ausnahme von Desmorets, mit ihnen kein anspruchsvolles Gespräch möglich, und sie waren Charles oft zu derb. So begann er wieder, seine Gedanken seinem Tagebuch anzuvertrauen. Er schrieb viel, korrigierte nichts. Er las die alten Einträge kein zweites Mal. Er schrieb sich das viele Blut vom Leib. Schreiben wurde für Charles zur rituellen Reinigung. Wenn er das Tagebuch geschlossen und sorgfältig zwischen zwei dicke medizinische Ratgeber geklemmthatte, trank er Wein – wie immer vor dem Zubettgehen. Er schlief dann zwar rasch ein, aber sein Schlaf war weder lang noch erholsam.
    Am Morgen widmete er sich den Menschen, die bei ihm Linderung ihrer Schmerzen suchten. Zu seiner Überraschung hatte es sich herumgesprochen, dass er noch fähiger war als sein Vater. Selbst Ärzte schickten manchmal hoffnungslose Fälle zu ihm. Er galt schon bald als Koryphäe hinsichtlich der Heilung von Gelenkschmerzen und Schultersteife. Die Nachmittage verbrachte er mit dem Studium von Diderots Encyclopédie, in seinem Kräutergarten, wo er Kräuter für Arzneien pflanzte, oder mit längeren Ausritten in die nahen Wälder. Das Haus war seit dem Tod von Grossmutter Dubut und Jean-Baptistes Wegzug öde geworden. Er vermisste plötzlich die lärmenden Geschwister. Die vertrauten Stimmen waren allesamt verstummt.
    Eines Freitags hatte Charles einen Kammerdiener aus Versailles zu hängen. Als er dem Verurteilten die Haare schnitt, gestand dieser, dass er sich mit einer der Mätressen des Königs vergnügt hatte. »Wieso hat mich der Herrgott derart gut bestückt, wenn ich es nicht nutzen darf?«, fragte er Charles.
    »Ich bitte Sie, ruhig zu sitzen, sonst werde ich Sie noch schneiden.«
    Der Kammerdiener lachte. »Mit dieser kleinen Schere?« Er zog ein Büchlein aus seiner Tasche. »Ich habe es geschrieben, Monsieur de Paris, im Auftrag unseres Königs.« Das Büchlein war sorgfältig gestaltet und in rotes Leder gebunden. Es war ein Bordellführer durch Paris. »Das werdeich jetzt wohl nicht mehr brauchen«, sagte der Verurteilte mit melancholischer Stimme, aber Sie, wer weiss, vielleicht kommen Sie auf den Geschmack. Ich habe mir sagen lassen, dass Henker nach besonders grausamen Hinrichtungen ins Bordell gehen, um die Anspannung loszuwerden. Aber Vorsicht, wenn Sie zu oft hingehen, verblassen die Reize! Am Ende braucht es ein ganzes Opernhaus nackter Leiber, damit sich der kleine Mann noch regt. Und falls Sie eines Tages einen Anwalt suchen, an diesem Ort werden Sie einen finden. Hier trifft sich alles, was Rang und Namen hat. Mich wollte leider niemand verteidigen.«
    Charles steckte den Führer in sein Wams und bedankte sich mit einem Nicken.
    »So ist mein Leben doch nicht sinnlos gewesen«, sagte der Kammerdiener mit einem bitteren Lachen.
    »Sie meinen, manchmal hat das Leben einen Sinn? Bitte stehen Sie auf, damit ich Ihnen die Hände binden kann.«
    Als Charles dem Kammerdiener zwei Stunden später auf dem Schafott die Schlinge um den Hals legte, flüsterte dieser noch: »Ich war bestückt wie ein Hengst.« Dann öffnete sich unter ihm die Falltür.
    Als Charles am Abend nach Hause kam, legte er das Buchgeschenk zu den Raritäten, die bereits sein Vater gesammelt hatte. Er hatte wenig Lust, darin herumzustöbern.
    Einige Tage später erhielt Charles eine Vorladung des Gerichts. Die Marquise hatte ihn tatsächlich angeklagt. Sie verlangte, dass Charles-Henri Sanson dazu verurteilt würde, sie mit einem Galgenstrick um den Hals um Verzeihung zubitten. Weiter verlangte sie, dass er in Zukunft durch seine Kleidung und durch ein Abzeichen an der Brust als Henker erkennbar sein müsse. Die Öffentlichkeit müsse besser geschützt werden.
    Nun benötigte Charles in der Tat einen Anwalt, und er entsann sich des Bordellführers, den ihm der Kammerdiener von Versailles geschenkt hatte. Darin hatte er auch notiert, in welchen Bordellen die besten Anwälte von Paris verkehrten. Aber etwas in Charles sträubte sich gegen diese Vorstellung, und er nahm das Büchlein nicht einmal hervor. Er wollte einen seriösen Anwalt und keinen, der sich in solchen Häusern herumtrieb. In seiner Not sprach er beim Abendessen davon. Desmorets meinte, in der

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