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Der Henker von Paris

Der Henker von Paris

Titel: Der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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meinst du nicht auch?«
    Antoine Quentin Fouquier de Tinville erschien pünktlich im Gerichtssaal. Charles ging sofort auf ihn zu. »Wie sieht es aus?«, flüsterte er.
    Antoine strahlte übers ganze Gesicht. »Du wirst verlieren, Charles.« In diesem Augenblick betrat die Marquise mit ihrer Entourage den Gerichtssaal. »Weil ich die Marquise vertrete«, fügte Antoine hinzu. »Bekenne dich schuldig, dann kommst du mit einem blauen Auge davon. Wenn du Widerstand leistest, zerdrücke ich dich wie eine Laus. Dafür werde ich bezahlt, Charles, nichts Persönliches. Ich habe mit der Marquise noch einiges vor. Eine derart streitsüchtige Zicke findet man nicht alle Tage.«
    Charles konnte es nicht fassen. Konsterniert starrte er Antoine an.
    »Die Welt ist schlecht, Charles. Ich habe am Tag nach unserem Treffen gleich die Marquise besucht und ihr meine Dienste angeboten. Ich meine«, flüsterte er, »meine juristischenDienste.« Er ging auf die Marquise zu und begrüsste sie mit einer galanten Verbeugung. Gemeinsam nahmen sie in der vordersten Reihe Platz.
    Charles war immer noch sprachlos. Er hatte sich ganz auf Antoine verlassen. Er setzte sich und wartete ungeduldig auf die Eröffnung der Verhandlung.
    Zwei Treppen führten zu einem langen Tisch, der auf einem hölzernen Podest stand. Dahinter sassen die Richter und ein Schreiber. Sie schienen gelangweilt. Nach einer Weile klopfte der Gerichtspräsident mit seinem Hammer auf die Tischplatte und gab den beiden Soldaten, die neben dem Eingang standen, das Zeichen, die Türen zu schliessen und niemandem mehr Einlass zu gewähren. Die Bänke für die beiden Parteien und das Publikum waren wie in einem Kirchenschiff angeordnet. Links, in der vordersten Sitzreihe, sass die Klägerpartei, die stolze Marquise, ihr Bruder und Antoine. Charles sass rechts, allein. Hinter den Parteien sassen Dutzende von Schaulustigen, die entweder mit der Marquise bekannt waren oder den Henker aus der Nähe sehen wollten. Zum Tatbestand sagte die Marquise nur, dass sie zusammen Tee getrunken hätten. Das Publikum lachte leise.
    Charles bestritt den Tatbestand nicht, verschwieg aber, ganz Gentleman, das amouröse Abenteuer. Er hatte sich wieder gefasst. Er bestand darauf, Grundsätzliches über sein Amt vorzutragen, und trat nun vor die Richter. Charles war in der Tat eine imposante Erscheinung, grossgewachsen, stolz, selbstsicher, unerschrocken, und er strahlte Gelassenheit und Ruhe aus. »Warum töte ich?«, fragte er mit lauter Stimme. »Aus persönlichen Motiven? Zum Vergnügen?Nein, Messieurs les juges, ich vollstrecke ein Urteil, das Sie gemäss unseren Gesetzen gefällt haben. Und was würde geschehen, Messieurs, wenn ich Ihre Strafurteile nicht vollstrecken würde? Das Gesetz würde zum Gespött der Gesellschaft, weil niemand da wäre, ihm Genüge zu tun. Ich erlaube mir die Bemerkung, und dies bei allem Respekt, den ich Ihnen schulde, dass die Kriminellen, die Sie verurteilen, nicht Ihren Urteilsspruch fürchten und auch nicht die Tinte, mit der Sie die Urteile schriftlich festhalten, sondern sie fürchten meine Hand, die Hand des Henkers. Und wer, meine Herren, gibt mir das Recht, dieses Amt auszuüben? Seine Majestät, der König höchstpersönlich. Es ist die historische Aufgabe eines jeden Königs, in seinem Reich das Verbrechen zu sühnen und die Unschuld zu schützen. Im Auftrag des Königs vollstrecke ich Ihre Urteile. Ich bin somit ein Beamter des Königreichs. Ja, ich töte, aber im Gegensatz zum Soldaten töte ich keine Soldaten in fremden Uniformen, ich töte Verbrecher, die Sie überführt und gemäss unseren Gesetzen zum Tode verurteilt haben. Während der Soldat den äusseren Frieden zu bewahren hat, bewahre ich den inneren Frieden. Während unser König Hunderttausende von Soldaten braucht, um den äusseren Frieden zu wahren, braucht er nur einen einzigen Menschen, um den inneren Frieden zu wahren: den Henker. Während der Soldat fürs Töten ausgezeichnet wird, werde ich fürs Töten geächtet. Ich bin nicht hergekommen, um mich gegen die absurden Unterstellungen der Madame la Marquise zu verteidigen. Ich bin hier, damit man mir bestätigt, dass ich Beamter der Justiz bin, und zwar im Rang eines Offiziers.«
    Ein Raunen erfasste die Richter. Mit grossem Befremden tauschten sie vieldeutige Blicke aus. Es gab Unruhe unter den Zuschauern. Antoine schien irritiert. Auf jeden Fall war ihm sein spöttisches Grinsen vergangen.
    »Ich beantrage hiermit, dass es mir, gestützt auf

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