Der Henker will leben Kommissar Morry
fand das nicht sehr nett und fragte mich, ob ihr irgend jemand zu nahe getreten sein mochte, so daß sie es vorgezogen hatte, ohne ein weiteres Wort zu gehen. Aber Stilton war den ganzen Abend mit Esther Daffold beschäftigt gewesen, und Ferrick hielt sich, wie meistens, nur an den Alkohol. Und die Mädchen? Die waren viel zu harmlos, um Deila zu beleidigen. Es gab dafür ja auch nicht den geringsten Grund! Ich mußte also annehmen, daß es ihr, ähnlich wie Heflin, einfach übel geworden war, und daß sie sich deshalb zurückgezogen hatte. Norma Brixon, mit der ich darüber sprach, neigte zu der gleichen Ansicht. Ich rief Deila noch in der gleichen Nacht an... aber es meldete sich niemand. Naja... das habe ich Ihnen ja schon berichtet."
„Womit verdient Deila Glyne ihren Lebensunterhalt?"
„Das ist eine ziemlich undurchsichtige Geschichte. Deila hat keine feste, geregelte Arbeit. Als Fotomodell wird sie hier und da beschäftigt. Norma versicherte mir, daß Deila viel zu tun habe, aber die Wirtin, mit der ich mich am Telefon unterhielt, berichtete genau das Gegenteil. Sie sagte mir, daß Deila oft tagelang zu Hause herumgesessen und auf den Anruf einer Agentur gewartet habe. Schulden besaß Deila nicht... zumindest hat sie die Miete stets pünktlich bezahlt."
„Sie haben sich über das Mädchen sehr gründlich informiert", stellte Claremont fest.
„Die Wirtin plauderte vieles aus, wonach ich gar nicht gefragt habe."
„Aus allem, was Sie sagen, muß ich entnehmen, daß das Mädchen Ihrem Herzen sehr nahe stand."
Porezzi blickte starr in den Garten. „Ich habe Deila geliebt", bekannte er überraschend. „Ich war sogar bereit, sie zu heiraten."
Claremont legte den Kopf ein wenig zur Seite. „Haben Sie das Miß Glyne gestanden?"
„Nein."
„Warum nicht?"
„Dafür gibt es gute Gründe."
„Miß Glyne liebte Sie nicht?"
„Das ist schwer zu beantworten.“
„Sie hat natürlich gewußt, was Sie für sie empfanden?"
„Daraus habe ich kein Geheimnis gemacht."
„Warum haben Sie ihr niemals einen Antrag gemacht?"
Porezzis starrer Blick löste sich aus dem Garten und kehrte zu Claremont zurück. „Warum?" fragte er leise. „Dafür gibt es einen guten Grund, Inspektor. Ich bringe den Menschen, die ich liebe, nur Unglück!"
„Das ist eine recht ungewöhnliche Behauptung."
„Sie ist leider zutreffend."
„Sie sind abergläubisch?"
Porezzis volle Lippen zuckten bitter. „Ich wünschte, das wäre der Grund. Leider ist das nicht der Fall. Sie müssen wissen, daß ich bisher zweimal in meinem Leben ernstlich verliebt war... bevor ich Deila traf, heißt das. In beiden Fällen wollte ich heiraten. Die Mädchen starben, noch ehe es zu einer Verlobung kam...“
„Starben?" fragte der Inspektor erstaunt. „Eines natürlichen Todes?"
„Nein.“
„Handelte es sich um Verbrechen?"
Porezzi schüttelte den Kopf. „Im Fall von Clara Ryman war es ein Autounfall. Sie besaß einen schnellen italienischen Sportwagen, dessen Bremsen versagten. Sie wurde in hoher Fahrt aus einer Kurve getragen."
„Wie hieß die andere junge Dame?"
„Liz Koenig. Sie war eine bekannte Sängerin. Ein Mädchen mit Zukunft. Bei einer Bergtour stürzte sie ab."
„Hm", machte Claremont.
„Ich sehe Ihrem Gesicht an, daß Ihnen diese Duplizität der Ereignisse wenig behagt. Sie vermuten, daß sich hinter dem Geschehen ein Verbrechen verbirgt, nicht wahr? Ich muß Ihnen gestehen, daß ich zumindest nach Liz Koenigs Tod den gleichen Verdacht hegte. Aber meine intensiven Nachforschungen ergaben, daß diese Verdächtigungen zu Unrecht bestanden, Immerhin hatten mich die bitteren Erfahrungen scheu und unsicher gemacht. Ich hatte einfach den Mut verloren, mich erneut zu binden... und nur darum zögerte ich, Deila meine Liebe zu gestehen."
„Nach allem, was Sie durchgemacht haben, kann ich diese Zurückhaltung gut begreifen."
Porezzi beugte sich erregt nach vorn. „Sagen Sie mir ganz, ehrlich, was Sie davon halten, Inspektor. Irgend etwas kann hier doch nicht mit rechten Dingen zugehen! Deila ist das dritte Mädchen, das ich zu heiraten wünschte.. . und nun ist sie verschwunden! Ist es ein Wunder, daß ich mir ihretwegen Sorgen mache? Ist es erstaunlich, daß ich mich frage, ob sie das gleiche Schicksal ereilt haben mag wie Liz und Clara?"
„Nein, das ist wahrhaftig kein Wunder", meinte Claremont mit leiser, etwas schleppender Stimme. „Womit war sie am Montag bekleidet?"
„Sie trug einen leichten, fast weißen
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