Der Herodes-Killer
der neben ihr hochkam, und ließ den Arm wieder auf das Samttuch unter ihr sinken. Zum ersten Mal wurde ihr bewusst, was er anhatte. Weiß. Ein weißes Shirt und weiße Hosen. Kleidung, ganz normale Kleidung.
Er ging um den Altar herum, und vom Boden stieg nun ein Rauchfaden hoch. Als er den Lifter vom Altar wegzog, entfernten sich die angespitzte Speiche und die Spritze immer weiter aus ihrer Reichweite. Sie knirschte frustriert mit den Backenzähnen.
Du hättest dich weiter strecken und sie dir schnappen sollen, solange du noch die Gelegenheit dazu hattest, du Dummkopf!
Auf seinem Rücken prangte ein Schweißfleck, sein Shirt war dort festgeklebt und ließ die Farbe seiner Haut durchscheinen. Der Beweis, dass er ein Mensch war.
Ihre Arme taten weh, weil sie immer wieder den Deckel hatte heben müssen, um Luft zu bekommen.
Es war still, wenn auch nicht vollkommen, denn es gab ein Summen, worin Sarah das Geräusch des Hauses erkannte – jedes Haus hatte seine eigene, ganz spezielle Beziehung zur Luft, die es von innen und außen umgab. Es war das Geräusch, das Erwachsene bei Nacht wach hielt und Kindern Albträume eingab.
Es schien ganz allmählich lauter zu werden.
Er eilte hinter den Altar und ließ sich dort niederfallen. Sie hob den Kopf, um ihn zu beobachten. Er lag auf dem Bauch und scharrte mit Händen und Füßen, um bestimmte Punkte auf dem Boden zu berühren. Sein Kopf lag im Staub. Sie sah die Striche unter ihm, der einzige erkennbare Hinweis auf die Verwendung okkulter Symbole.
Es sah aus wie ein Dreieck, ein schiefer und krummer Buchstabe, vielleicht ein A oder ein N.
Sie ließ den Kopf wieder sinken und musterte den Lifter mit den scharfen Gegenständen darauf. Obgleich sie den Waffen näher war als er, blieb sie reglos liegen. Sie versuchte, ihre Beine zu spüren. Sie hatte lange Zeit bewegungslos dagelegen. Schon wenn sie an einem ganz normalen Morgen aufwachte, war sie anfangs recht langsam, weil die Steifheit des Alters ihr zu schaffen machte. Eine einzige plötzliche Bewegung von ihr, und er wäre schneller da als sie.
Er erhob sich zu seiner vollen Größe.
«Bist du wach?», fragte er, und sein Blick ruhte schwer auf ihr. Seine Augen näherten sich den ihren, waren ihr so nah wie die von David, wenn er ihr einen Gutenachtkuss gab. «Bist du bereit?»
Hinter ihm stieg eine Rauchsäule nach oben.
Er legte ihr eine Fingerspitze auf den linken Hüftknochen, eine leichte Berührung, die sie wie der Hieb einer Faust traf. Er fuhr mit dem Finger über ihre Haut zur anderen Seite, zog eine Linie von einer Hüfte zur anderen und markierte so den Weg des Messers für den Kaiserschnitt.
Sie atmete den Rauch sonniger Sonntage ein, den Qualm des Grills und spürte, dass das ihr Schicksal und das ihres Babys sein würde. Diese Gewissheit lag wie ein schweres Gewicht auf ihr.
Ihr galt die Speiche, und dem Baby die Flamme.
Sein Finger blieb auf ihrer Hüfte liegen, und sie erschauerte, als sie merkte, dass er die Berührung ihrer Haut genoss. Sein Atem beschleunigte sich, die ersten Anzeichen von Intimität und Erregung. Sie hörte, wie er seinen Speichel herunterschluckte, als er sein Gesicht dem ihren näherte.
Er hob den Finger und drückte damit auf eine Stelle zwischen ihren Rippen. Sein Gesicht und sein Finger wichen zurück. Dann hörte sie das unverkennbare Geklapper der Speiche und der Spritze, als er beides in die Hand nahm.
Er hustete, da er den aufsteigenden Rauch eingeatmet hatte, und kam auf sie zu. Er hustete erneut, diesmal noch stärker vom Rauch gereizt. Hustend stand er über ihr und legte Speiche und Spritze auf den Altar, die Speiche in ihrer Reichweite, die Spritze aber so, dass sie nicht an sie herankam.
Er blinzelte und wischte sich die Augen. Sie schnappte sich die Speiche vom samtenen Schoß des Altars, während er abgelenkt war.
Irritiert tastete er den Altar mit den Augen ab und bückte sich dann, um im dünnen, weißen Rauchschleier auf dem Boden zu suchen.
«Suchst du das hier?», fragte Sarah.
Er hob den Kopf und bot ihr sein ganzes Gesicht als Zielscheibe. Sie richtete die Speiche direkt auf seinen rechten Augapfel, aber er drehte sich plötzlich zur Seite, und die scharf Spitze bohrte sich in seine Wange.
Sie richtete sich auf, um stärker zustoßen zu können. Die Speiche festhaltend, spürte sie, wie die Spitze die fleischige Wand seines Mundes durchdrang und tiefer in den Raum hinter seinen Zähnen fuhr.
Er heulte auf, und sein Schrei, weder
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