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Der Herodes-Killer

Der Herodes-Killer

Titel: Der Herodes-Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Roberts
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ihr Blick auf einen Abschnitt der Auslage, der sie stutzen ließ.
    Schwangerschaftstests.
    Plötzlich drehte sich ihr der Magen um. Der Laden und die Kunden um sie herum schienen sich aufzulösen. Als hätte sie einen Tunnelblick, konnte sie nichts anderes mehr wahrnehmen als die Schachteln mit den Tests.
    Etwas Sonderbares kam ihr in den Sinn. Die Idee ließ nicht locker und war jetzt fast schon eine Stimme in ihrem Ohr. Sie konzentrierte sich auf den ClearView Digital Schwangerschaftstest.
    Sie spürte, wie ihr Herzschlag schneller ging und ihre Nerven vor Erregung und Angst flatterten.
    «Das ist doch lächerlich», flüsterte sie, als die Stimme nicht lockerließ. Sie spürte, wie ein winziges Lächeln auf ihre Lippen treten wollte, unterdrückte es aber, weil zusammen mit dem Glück die Angst kam, das Schicksal herauszufordern.
    Was, wenn du gar nicht krank bist? Was, wenn du schwanger bist? Die Stimme tönte laut und deutlich in ihrem Kopf. Die Münzen, mit denen sie das Paracetamol hatte bezahlen wollen, wanderten in ihre Hosentasche zurück, stattdessen nahm sie die Kreditkarte aus der Handtasche.
    Es ist nicht außerhalb des Möglichen , dachte sie und erinnerte sich an den verregneten Wochenendausflug in die Cotswolds vor zweieinhalb Monaten. Aber andererseits hatte man ihr nach ihrer schwierigen Schwangerschaft mit Hannah vor all den Jahren gesagt, es sei höchst unwahrscheinlich, dass sie noch einmal ein Kind empfangen könnte.
    Der ClearView Digital Schwangerschaftstest. Sie konnte sogar die Schachtel sehen, die sie haben wollte und nach der die lächelnde Apothekerin hinter der Ladentheke gleich greifen würde, um sie aus dem Regal zu nehmen und ihr zu reichen.
    Ihr Mund war trocken, und sie zitterte. Sie umklammerte die Kreditkarte mit beiden Händen und verschränkte die Finger, damit sie nicht bebten.
    Sie würde den Test natürlich heimlich durchführen, denn sie wollte Davids längst gestorbene Hoffnung nicht wecken, nur damit sie dann von einem negativen Ergebnis wieder vernichtet wurde. In diesem Fall würde das Geheimnis ganz allein bei ihr bleiben. Wenn sie es schon wagte, einen tollkühnen Traum zu träumen, wollte sie die Enttäuschung lieber allein ertragen.
    «Hallo! Entschuldigen Sie bitte!»
    Noch im gleichen Augenblick rückte die Stimme der lächelnden Apothekerin alles wieder zurecht.
    «Oh, Entschuldigung», sagte Sarah. «Kann ich bitte das Boots-Paracetamol haben, eine Sechzehnerpackung, bitte.» Als die Frau danach griff, schoss Sarahs Blick zu dem digitalen Schwangerschaftstest von ClearView zurück.
    Die Apothekerin scannte die Schmerztabletten an der Kasse ein.
    Eine lange Pause.
    «Darf es sonst noch etwas sein?» Die Frau lächelte geduldig.
    «Nein, das ist alles», antwortete Sarah. «Entschuldigen Sie bitte die Tagträumerei.»
    «Dann sind das neununddreißig Pence bitte.»
    Sarah nahm wieder eine Münze aus ihrer Hosentasche, aber gerade, als sie sie der Frau reichen wollte, fügte sie hinzu: «Und einen Schwangerschaftstest von ClearView.»
    «Gerne.»
    Die Apothekerin holte den Test herunter, scannte ihn ein und steckte ihn in eine Tüte. «Das macht dann elf Pfund achtunddreißig.»
    Sarah bezahlte mit ihrer Karte. Die Verkäuferin reichte ihr die Tüte, blickte sich um und sagte dann leise und freundlich: «Viel Glück!»
    «Das kann ich brauchen», antwortete Sarah.
    Vor der Apotheke steckte sie die Schachteln in ihre Schultertasche und ging zur Schule zurück, um um neunzehn Uhr an der Schulstrategiekommission teilzunehmen.
    Die Hoffnung lastete schwer auf ihr, schwerer aber noch die zerstörten Hoffnungen eines ganzen Lebens. Sie erinnerte sich an das Gewicht ihrer Tochter Hannah in ihren Armen und daran, wie der Tod des Kindes sie mit seiner Leere verzehrt hatte. Hannahs Gesicht, ihre Augen beim Stillen, dieses unauslöschliche Bild der Liebe, das tief in ihre Erinnerung, in ihren Körper eingeschrieben war. Wie oft hatten sie versucht, noch ein Kind zu zeugen. Wie oft hatte man ihr schon gesagt, sie sei nicht empfängnisfähig.
    Während sie durch den Regen ging, liefen ihr Tränen über das Gesicht.

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    22
    Auf halbem Weg zwischen der Westminster Bridge und dem Bahnhof Elephant and Castle gelegen, wirkte die Fassade des Erzbischofssitzes merkwürdig deplatziert, wie eine Burg mit Türmchen und Bogenfenstern an einer geschäftigen städtischen Straße mit grauem Steinpflaster. Das Wappen der Diözese von Southwark über der eindrucksvollen

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