Der Herodes-Killer
Atmosphäre mehr erlebt, seit die Polizei von West Yorkshire den Fall Peter Sutcliffe damals total vermasselt hat. Komisch, wie die Geschichte sich wiederholt, nicht?»
Rosen antwortete nicht. Er trat zur Stirnseite des Raums und bat um Ruhe. Als er die Gesichter der Anwesenden durchging, stellte er fest, dass Bellwood fehlte.
«Mrs. Isobel Swift, die Leiche in der Brantwood Road Nr. 24, ist vor anderthalb Jahren einem Mord zum Opfer gefallen. Steht dieser Mord in Verbindung mit der Entführung im Nachbarhaus? Mir erscheint das praktisch als sicher. Ich verfolge im Moment eine Ermittlungsstrategie, die dies konkreter belegen sollte. Aber noch etwas kommt hinzu. Bei der Ermordung von Mrs. Swift war jemand mit anatomischen Kenntnissen am Werk, und ebenso bei den Morden des Herodes-Killers. Mehr dazu, wenn es Neuigkeiten gibt.
Zweitens haben wir ein ziemlich vages Hilfsangebot von einem katholischen Priester erhalten, von Father Sebastian Flint, einem Experten für Sozialanthropologie. Es könnte zu etwas führen oder im Sande verlaufen, aber dieser Punkt ist ziemlich neu, und wir überprüfen noch die Glaubwürdigkeit des Mannes.»
Harrison meldete sich mit Handzeichen.
«Ja, Robert?»
«Tut mir leid, dass ich keine Zeit hatte, mich noch vor der Besprechung mit Ihnen zu treffen. Ich habe einen Rückruf vom L’Osservatore Romano erhalten.» Harrison hielt inne und genoss die Stille. «Das ist die offizielle Zeitung des Vatikans. Ich habe mit Gianni Giuntti, dem Herausgeber, gesprochen. Father Sebastian Flint war von Februar bis September 1996 im Vatikan beschäftigt. Und zwar als Sonderberater des Papstes.»
«Vielen Dank, Robert.»
«Di niente, ma era uno spreco di tempo – es war einfach nur Zeitverschwendung … Mein Vater ist Engländer, meine Mutter Italienerin, und das ist nur gut so, da Giunttis Englisch primitiv war, gelinde ausgedrückt», erklärte Harrison.
«Gute Arbeit, bravo!», warf Baxter von hinten ein.
Rosen übernahm wieder. «Die gute Nachricht zu dem Haar, das auf dem Dachboden von Brantwood Road Nr. 22 gefunden wurde, ist, dass es frisch ist. Es stammt von dem Unbekannten, der auf diesem Dachboden war und Julia Caton entführt hat. Wir haben es an die DNA-Datenbank geschickt, drücken Sie also die Daumen. Das ist der einzige Glücksfall, den wir bisher hatten. John Mason von ‹Mason Forensische Abbildungen› hat sich unserem Team angeschlossen. Er hat schnell und hart gearbeitet. Haben Sie uns etwas zu zeigen, John?»
Mason, ein scheuer Mann, trat mit einer kleinen Stapelbox aus Kunststoff vor.
«Für diejenigen unter Ihnen, die noch nicht das Vergnügen gehabt haben, John kennenzulernen: Er arbeitet seit Jahren für die Polizei im ganzen Land und erstellt Rekonstruktionen von Opfern und Tätern. John, würden Sie vielleicht den Versammelten erklären, was Sie gemacht haben?»
John Mason schaute sich um und sprach leise.
«Auf der Grundlage des Ohrabdrucks an der Dachbodentür von Brantwood Road Nr. 22 habe ich einen Entwurf vom Ohr des Herodes-Killers angefertigt. Von den Maßen des Ohrs ausgehend, habe ich dieses Modell seines Kopfs hergestellt.»
Er stellte die Kiste auf den Boden, tauchte mit beiden Händen hinein und holte das primitive Tonmodell eines kleinen Kopfs mit zwei garnelenähnlichen Ohren zu beiden Seiten eines schmalen Gesichts hervor. Bedeckt war der Kopf mit einer Perücke von fettigem schwarzem Haar. Das Gesicht trug keine Gesichtszüge und war nur eine glatte, unheimliche Tonfläche. Es war eine liebevolle Arbeit.
«John, vielen herzlichen Dank für das hier. Wie sind Sie vorgegangen?», fragte Rosen.
«Die Haarlänge der Perücke orientiert sich an dem einzelnen Haar, das auf dem Dachboden gefunden wurde und das vermutlich von der Schläfe stammt. Ich gehe davon aus, dass er das Haar kurzgeschnitten trägt, aber aufgrund der zerfaserten Spitze nehme ich an, dass er es selbst schneidet. Vielleicht mag er sich nicht anfassen lassen, vielleicht erträgt er die Hand des Friseurs nicht.»
«Oder der Friseuse, einer Frau, die seinem Kopf mit einem scharfen Instrument nahe kommt.»
Die angespannte Stimmung im Raum wich freundlichem Applaus und positiven Kommentaren für den forensischen Künstler.
«Vielen Dank», sagte Rosen und wendete sich erneut den Versammelten zu. «Da wir so wenig in der Hand haben, bedeutet dies hier sehr viel. Ich stehe in Ihrer Schuld.»
«Okay!», durchschnitt Baxters Stimme den Raum. «Das ist ja alles gut und schön, aber …»
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