Der Herr der Augenringe
Waschbären gezogen wurde. Er trug Smokinghosen, eine kurze rote Jacke und einen mit Druckknöpfen befestigten Querbinder. Auf dem kahl werdenden Kopf ruhte eine Chauffeurmütze, verziert mit dem Wappen der Truchsesse, einem recht protzigen Ding, das ein geflügeltes und ein Teetablett tragendes Einhorn zeigte. Mopsi nahm eine deutliche Duftwolke von Knoblauch wahr.
Gutgolf räusperte sich, denn der Truchsess schlief offensichtlich fest.
»Grüße und frohe Feiertage«, begann er. »Ich bin Gutgolf, Hofzauberer gekrönter Häupter von Niedermittelerde, Wunderwirker und anerkannter Chiropraktiker.«
Der alte Truchsess öffnete ein verklebtes Auge und betrachtete Mopsi und Pepsi voll Abscheu.
»W-was sind denn das für welche? Schild an der Tür sagt ›Keine Haustiere‹.«
»Es sind Boggies, mein Lehnsherr, kleine, aber vertrauenswürdige Verbündete von uns im Norden.«
»Werd den Dienern sagen, sollen etwas Papier hinlegen«, murmelte der Truchsess, während ihm sein runzliger Kopf schwer auf die Brust sank.
Gutgolf räusperte sich noch einmal und fuhr fort:
»Leider bin ich der Überbringer unheilvoller und betrüblicher Nachrichten. Sauerkopfs ruchlose Narks haben Euren geliebten Sohn Bromosel erschlagen, und jetzt begehrt der Dunkle Herrscher Euer Leben und Euer Reich für seine unsäglichen Vorhaben.«
»Bromosel?«, fragte der Truchsess, raffte sich ein wenig auf und stützte sich auf einen Ellbogen.
»Euer eigener geliebter Sohn«, half Gutgolf nach.
Ein Fünkchen Erinnerung flackerte in den müden, alten Augen.
»Ach, er. Sch-schreibt nie, außer um Geld. Genau wie der andere. Sehr schade.«
»Deshalb sind wir mit einer Armee gekommen, wenige Tagesritte hinter uns, um Euren Kummer an Fordor zu rächen«, erklärte Gutgolf.
Der Truchsess hob die schwachen Hände zu einer Geste der Verärgerung.
»Fordor? N-n-nie gehört. Von unbedeutendem Zauberer auch nicht. Audienz beendet«, sagte der Truchsess.
»Beleidigt den Weißen Zauberer nicht«, warnte Gutgolf, während er etwas aus seiner Tasche zog, »denn ich besitze viele Machtmittel. Hier, nehmt eine Karte. Irgendeine.«
Benelux wählte aus den zweiundfünfzig Herz-Sieben eine und zerriss sie zu Konfetti. »Audienz beendet«, wiederholte er mit Entschiedenheit.
»Törichter Greis«, brummte Gutgolf später in ihrem Zimmer in einem Gasthaus. Seit über einer Stunde hatte er vor Wut geschäumt und getobt.
»Aber was können wir tun, wenn er uns nicht hilft?«, fragte Mopsi. »Bei dem piept’s wohl?«
Gutgolf schnalzte mit den Fingern, als ob ihm plötzlich ein Gedanke durch den schlauen Kopf geschossen wäre.
»Das ist es«, lachte er. »Von dem alten Blödmann ist bekannt, dass er geisteskrank ist.«
»Seine Kumpel ebenfalls«, bemerkte Pepsi verständig.
»Und auch psychotisch«, überlegte sich der Zauberer. »Ich wette, er hat eine Menge Selbstmordpsychosen. Selbstzerstörend. Ein typischer Fall, wie er im Buch steht.«
»Selbstmord?«, fragte Pepsi. »Wie kommst du darauf?«
»Bloß so eine Ahnung«, erwiderte Gutgolf zurückhaltend, »bloß eine Ahnung.«
Die Nachricht vom Selbstmord des alten Truchsessen an jenem Abend erregte die Stadt. Die Boulevardzeitungen brachten eine große Fotografie des brennenden Scheiterhaufens, auf den er gesprungen war, nachdem er sich zuerst raffiniert gefesselt und ein letztes Lebewohl an seine Untertanen geschrieben hatte. Die Schlagzeilen dieses Tages lauteten reißerisch Bekloppter Benelux verbrennt sich, und in späteren Ausgaben hieß es: Zauberer sah Truchsess als Letzter: Bezeichnet Sauerkopf als Ursache für Bs Qual. Da das ganze Personal von Benelux geheimnisvollerweise verschwunden war, übernahm Gutgolf es großmütig, ein Staatsbegräbnis anzuordnen und eine Mittagsstunde der Volkstrauer für den verstorbenen Herrscher zu verkünden. In den nächsten paar Tagen der Verwirrung und politischen Unruhe hielt der redegewandte Zauberer gelassen zahlreiche Pressekonferenzen ab. Stundenweise konferierte er mit hohen Beamten und erklärte, es sei der letzte Wunsch seines alten Freundes gewesen, dass er, Gutgolf, die Zügel der Regierung führe, bis sein überlebender Sohn Faraschlaks zurückkehre. In unbewachten Augenblicken konnte er im Exekutiv-Waschraum des Palastes gefunden werden, wo er versuchte, einen schwachen Geruch von Knoblauch und Kerosin zu vertreiben.
Innerhalb bemerkenswert kurzer Zeit hatte Gutgolf es erreicht, dass die verschlafene Hauptstadt über eine schlagkräftige
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