Der Herr der Augenringe
Frito packte den Ring. Er hörte ein schwaches, platschendes Geräusch weiter vorn im Gang und blieb wie angewurzelt stehen. Da Spam sich an seinem Schwanz festhielt, stürzten sie beide mit einem gewaltigen Krach, der ringsum in der Dunkelheit laut widerhallte. Das Platschen ließ nach, dann wurde es lauter. Und kam näher.
»Zurück auf dem anderen Weg«, krächzte Frito, »und zwar schnell.«
Die Boggies flohen vor dem unheimlichen Platschen um viele Kurven und Kehren, aber es kam immer näher, und die Luft war erfüllt von dem ekligen Geruch muffiger Bonbons. Sie rannten blindlings weiter, bis ein großer Tumult vor ihnen den Fluchtweg versperrte.
»Vorsicht«, flüsterte Frito. »Da ist eine Nark-Patrouille.«
Spam merkte bald, dass dem so war, denn die fiese Nark-Sprache und das Waffengeklirr waren unverkennbar. Wie üblich stritten sich die Narks und machten dreckige Witze, als sie herankamen. Frito und Spam pressten sich an die Wand und hofften, nicht gesehen zu werden.
»Herrje«, zischte eine Stimme im Dunkeln, »hier drinnen überkommt mich immer das Gruseln.«
»Quatschkopf«, fuhr ihn ein anderer an, »der Späher sagt, der Boggie mit dem Ring ist hier drinnen.«
»Ja«, meinte ein Dritter, »und wenn wir ihn nicht kriegen, degradiert uns Sauerkopf wieder zu Nachtmahren.«
»Dritter Klasse«, stimmte ein Vierter zu.
Die Narks kamen näher, und die Boggies hielten den Atem an, als sie vorbeigingen. Gerade als Frito glaubte, sie seien schon vorbei, packte ihn eine kalte, schmierige Hand an der Brust.
»Na so was«, frohlockte der Nark, »ich hab sie, ich hab sie!«
Im Nu griffen die Narks mit Knüppeln und Handschellen an.
»Sauerkopf wird sich freuen, euch beide zu sehen«, lachte einer und kam mit seinem Gesicht (und seinem Atem) Frito ganz nahe.
Plötzlich erschütterte ein gewaltiges, gutturales Stöhnen den dunklen Gang, und die Narks wichen vor Schreck zurück.
»Pfui Spinne!«, schrie einer. »Es ist Ihre Hoheit!«
»Kankra! Kankra!«, jammerte ein anderer, schon in der Dunkelheit verschwunden.
Frito zog Stichling aus der Scheide, konnte aber nichts sehen. Als er schnell nachdachte, fiel ihm die Zauber-Schneekugel ein, die Lavalier ihm geschenkt hatte. Er hielt das Glas auf Armeslänge und drückte erwartungsvoll auf den kleinen Knopf unten. Sofort flutete ein blendendes Kohleelektroden-Bogenlicht durch die dumpfige Umgebung und ließ ein riesiges Zimmer erkennen mit Resopal-Wandplatten und billigem Chintz. Und da, vor ihnen, war die entsetzlich große Gestalt von Kankra.
Spam schrie laut auf bei diesem höchst entsetzlichen Anblick. Sie war eine gewaltige, formlose Masse von bebendem Fleisch. Ihre flammend roten Augen funkelten, als sie sich zu den Narks hinwälzte, wobei ihr Hemd aus billigem Druckstoff auf dem Steinboden schleifte. Mit ihrem fetten Körper warf sie sich auf ihre vor Schreck erstarrten Opfer und schlitzte sie mit den Krallen an ihren Pantoffeln und scharfen Fangzähnen auf, an denen große gelbe Tröpfchen von Hühnerbrühe herabrannen.
»Wasch dich hinter den Ohren!«, kreischte Kankra, als sie einem Nark ein Glied nach dem anderen ausriss und seine Rüstung wie ein Bonbonpapier beiseite warf.
»Ihr lasst mich hier nie raus«, fauchte sie und stopfte sich den zappelnden Rumpf in den Schlund. »Die besten Jahre meines Lebens habe ich euch geopfert«, tobte sie, und ihre scharfen roten Fingernägel griffen nach den Boggies.
Frito trat zurück an die Wand und hieb mit Stichling nach den gierigen Nägeln, doch gelang es ihm nur, den Lack anzukratzen. Kankra zeterte, ihr Zorn nahm zu. Als das raubgierige Geschöpf auf ihn eindrang, war das Letzte, woran Frito sich erinnerte, dass Spam wie verrückt Insektenpulver in Kankras grundlose Kehle sprühte.
Die Abendsonne ging, wie es ihre Gewohnheit war, im Westen unter, als Gutgolf, Mopsi und Pepsi an den Toren von Minas Troney ihre erschöpften Merinos anhielten. Die Boggies waren geblendet von der sagenhaften Hauptstadt von ganz Zwiedor, der Hochburg des Westens und dem größten Erzeuger in ganz Niedermittelerde von Rohöl, Jo-Jos und Schmirgelscheiben. Rings um die Hufen erstreckte sich die Ebene von Pellegranor, deren Erde reich war an so mancher Darre und Getreidespeichern, ganz zu schweigen von bestellten Äckern, Schafhürden, Kuhställen, plätschernden Bächlein und wogendem Sauerampfer. Der launische Effluvium bespülte dieses grüne Land und versorgte die undankbaren Bewohner Jahr für Jahr mit
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